Spitzenqualität zum Aldi-Preis
Ein Erfahrungsbericht von Klaus Lantermann über A.
Burguet Champagne Crouttes sur Marne.
Das war keine gute Idee: Wir wollten unbedingt am Mittwoch vor
dem Himmelfahrtstag, den auch viele Franzosen zum Brückenbau
für ein verlängertes Wochenende nutzen, aus Paris in
Richtung Rhein-Main-Gebiet. Schon auf der Périphérique,
der Ringautobahn rund um die französische Hauptstadt, wurde
uns der erste Stau angekündigt: zwölf Kilometer. Wir
wichen auf eine Ausfallstraße aus, kamen auch nur im Schritt-Tempo
voran. Als wir dann die Autobahn Richtung Reims erreicht hatten,
das gleiche Bild.
Da hatten wir endlich eine gute Idee: Bei Ferté-sous-Jouarre
(übrigens ein netter Ort zum Station machen) runter von
der Autobahn und auf der Landstraße durch die verschlafenen
Ortschaften des Marnetales, wo all die kleinen Champagner-Winzer
ihre Keller haben. Während die Großkellereien in Reims
und Epernay, die Bollinger, Moët et Chandon, Veuve Clicquot
oder Taittinger, in der ganzen Welt bekannt sind, werden die
Produkte der Weinbauern aus dem Marnetal nur in der Region verkauft.
Aber von der Qualität sind sie den Großen oft ebenbürtig.
Es war gegen
Mittag, und die meisten der Champagner-Kellereien rechts und
links der Straße wirkten verlassen, jedenfalls nicht direkt
einladend. Doch in Crouttes-sur-Marne, einem kleinen Dorf mit
wohl kaum mehr als einigen Hundert Einwohnern, stand das Tor
zum Hof von ,A. Burguet Récoltant, Manipulant" weit
offen. Mit dem Hinweis ,Manipulant" will uns der Besitzer
sagen, dass er nicht nur den Wein anbaut und erntet, sondern
dass er auch selbst Champagner herstellt. Später erfuhren
wir, dass die Burguets drei Generationen lang nur als Winzer
tätig waren und ihre Trauben an die Großkellereien
verkauften, bis André auf die Idee kam, selbst Champagner
herzustellen und zu vermarkten.
Wir konnten direkt vor dem Anwesen parken. Helma, mein Weib,
und ich waren uns einig: Lasst uns ein paar Fläschchen mitnehmen.
Denn wir beide lieben das belebende Prickelwasser, vor allem,
wenn es sehr trocken ist und dennoch seinen Weingeschmack behalten
hat für uns der wichtigste Maßstab für einen
guten Champagner oder Winzersekt.
Wir überquerten den Hof und wurden am Wohnhaus schon von
Monsieur Burguet empfangen. Wir fragten nach einer Preisliste,
aber er machte uns klar, dass er nicht auf einen schnellen Handel
aus war. Er wollte uns auch etwas von seinen Champagnern erzählen.
Wir folgten ihm also über den Hof in seine ,Cave".
Der ,Keller" entpuppte sich als einfacher kleiner Lagerraum.
Und unsere Hoffnung, Monsieur würde uns probieren lassen,
erfüllte sich auch nicht. Auch wenn wir nicht alles verstanden
haben, kann ich euch das Wichtigste übermitteln, weil er
uns später einen Prospekt mitgab.
André und künftig auch sein Sohn Dany bauen die drei
üblicherweise für den Champagner verwendeten Rebsorten
an, die edle weiße Chardonnay-Traube sowie zwei blaue Pinot-Trauben,
die Pinot Noir und die Pinot Meunier. Die Chardonnay-Traube,
die wir vom Weißwein bereits kennen, steht so erklärt
es Monsieur für ,légèreté, élégance
et fraicheur", also für Leichtigkeit, Eleganz und Frische.
Die Pinot-Traube gebe dem Champagner Körper und ein langes
Leben. Und die Pinot Meunier, die Müllerrebe, sei geeignet,
die Weinmischung (Cuvée), die den Champagner ergibt, harmonisch
zusammenzuführen und den Wein rasch reifen zu lassen.
Monsieur erinnert uns daran, dass er seinen Champagner nach der
über 300 Jahre alten Tradition der Region produziert, also
nach der ersten Gärung im Fass den Most auf Flaschen abfüllt
und eine zweite Gärung einleitet. Dadurch wird erreicht,
dass ein Teil der Kohlensäure in der Flasche bleibt. Die
Flaschen werden auf den Kopf gestellt und regelmäßig
von Hand gerüttelt, so dass sich die entstehenden Trübstoffe
(Sedimente) am Kork absetzen. Wenn der Champagner reif ist, müssen
die entfernt werden. Also wird die Flasche kopfüber in eine
Kältemischung getaucht, so dass die Sedimente am Korken
festfrieren. Jetzt kann man die Flasche öffnen, "dégorgement"
nennt Monsieur das. Der Korken mit den angefrorenen Verunreinigungen
fliegt in hohem Bogen heraus. Monsieur füllt den Verlust
an Wein nach und gibt eventuell etwas Zucker oder Süßwein
zu. Darauf geht er aber nicht ein - Betriebsgeheimnis. Dann werden
die Flaschen endgültig verkorkt und mit der bekannten Drahtschlinge
gesichert, damit der Verschluss dem Druck im Inneren widersteht.
Nun werden die Flaschen wieder gelagert. Abgelagerter Champagner
ist bekömmlicher, schmeckt besser und kostet natürlich
auch mehr.
Der Hausherr unterstreicht, die gesamte Produktion liege in seiner
Hand. Er besitze einen eigenen Weingarten, eine traditionelle
Presse, die die Trauben sehr langsam zerquetsche und damit das
Aroma sehr gut zur Entfaltung bringe, eine Cuverie für die
Gärprozesse und die Keller, in denen die Champagner reifen.
Das erlaube ihm, einen wirklichen Qualitätswein herzustellen.
Damit kommt er zu seinen verschiedenen Cuvées: Besonders
stolz ist er auf seinen Jahrgangschampagner des Jahres 2000,
den er in einer altertümlichen Flasche anbietet, die Moët
et Chandon auch für das Spitzenprodukt Dom Pérignon
verwendet. Der Preis für André Burguets Spitzenerzeugnis,
den ,Brut An 2000", ist mit 15,50 Euro allerdings wesentlich
moderater. Auch seinen zweitbesten, den ,Brut Carte d'Or",
verkauft er in einer solchen Flasche, und zwar für 13,30
Euro. Er enthält 70 Prozent Pinot und 30 Prozent Chardonnay,
hat also sehr viel Körper und Aroma.
Wir sind bescheidener: Wir lassen uns zwei Flaschen vom ,Prestige
Brut" (12,50 Euro) und vier vom preiswertesten, dem Brut
Réserve, für 10,90 Euro einpacken. Dass wir auf den
einen Demi Sec verzichten, der im Angebot hat, versteht sich.
Wir wissen nicht, wie er schmeckt, aber ich denke, er wird auch
jemandem munden, der sonst am liebsten Rotkäppchen Mild
trinkt. Und den Rosé lassen wir auch liegen.
Wir mussten noch etwas warten, bis wir testen konnten, was für
Champagner uns Monsieur Burguet zu diesen günstigen Preisen
verkauft hat. Schließlich bekommt man bei uns für
dieses Geld nur im Aldi einen echten Champagner, der nicht mal
so schlecht ist.
Zwei Tage nach unserer Rückkehr entkorkte ich also die erste
Flasche Brut Réserve mit einem kleinen bisschen Skepsis.
Die war aber schnell verflogen. Ein fruchtiger spritziger Champagner,
den man für diesen Preis in Deutschland nirgends bekommt
auch nicht bei Aldi. Auch der 1,60 Euro teuere Prestige Brut
sagte uns sehr zu. Er hat wohl einen stärkeren Pinot-Anteil
und ist auch länger gealtert. Deshalb ist er etwas kräftiger
und hat mehr Aroma. Inzwischen geht unser zu kleiner Vorrat zu
Ende, und es tut es Leid, nicht mehr gekauft zu haben
Noch ein paar Infos:
Champagne A. Burguet, 24, Grande Rue, 02310 Crouttes sur Marne,
Tel.: 0323821563, Fax: 0323826975, geöffnet alle Tage, auch
an Wochenenden und Feiertagen zwischen 8.00 und 20.00 Uhr.
scevaburguet@libertysurf.fr
https://www.ifrance.com/champagneburguet/index.html
Crouttes sur Marne liegt an der D 969 zwischen Paris und Epernay
Einen weiteren, interessanten Bericht von Klaus Lantermann
können Sie hier einsehen:
Das
teure Kribbeln
|