Die Geschichte des Champagner-Hauses Mumm
Ein Bericht von John McCabe
Der historische
Startschuss des Champagner-Hauses Mumm fiel am 1. März des
Jahres 1827. Die drei deutschen Brüder Gottlieb (1782-1852),
Jacobus (1779-1835) und Philipp Mumm (1782-1842)
aus Hessen sowie Friedrich Giesler aus dem Rheinland gründeten
gemeinsam mit einem Herrn G. Heuser (vermutlich ebenfalls
deutscher Abstammung) eine Firma namens P. A. Mumm & Co.
Das 'P. A.' bezieht sich auf den wohlhabenden Vater der drei
Brüder, Peter-Arnold Mumm (1733-1797), welcher bereits
1761 einen Weinhandel im Rheinland gegründet hatte. Der
Historiker François Bonal merkt an, dass auch Herr
Heuser bereits ein gut etabliertes Weinhandelshaus mitten in
Reims besaß und sich daher auch mit Champagner gut auskannte.
Darüber hinaus war Herr Heuser mit einer Dame aus der Champagne
verheiratet.
Der jungen Firma mangelte es anfangs an eigenen Produktionsstätten
und Weinbergen. Woran es jedoch nicht mangelte, war enorme Strebsamkeit
im Aufbau eines Netzes guter Winzer und Lieferanten in der Champagne,
welchen Herr Heuser von Beginn an das kompromisslose Streben
nach höchster Qualität ans Herz legte - auch wenn die
Grundweine dadurch für das Hause Mumm teurer im Einkauf
sein sollten. Bereits im Gründungsjahr gelang es dem jungen
Hause Mumm, eine erhebliche Menge Champagner nach Deutschland,
Belgien, England und Russland zu exportieren. Ich vermute, dass
kostbare Handelskontakte des gut etablierten Weinhandels des
Vaters Peter Arnold Mumm dem jungen Unternehmen in Reims zu Gute
gekommen sein dürften. So kam es, dass die junge P. A.
Mumm & Co. schon im Gründungsjahr beachtliche 69.825
Flaschen ausliefern konnte. Anfangs handelte es sich nicht nur
um Champagner, sondern hauptsächlich um stille Weiß-,
Rosé- und Rotweine.
Herr Heuser gehörte nach 1830 offenbar nicht mehr dem
noch jungen Hause an. Herr Giesler verließ das Haus Mumm
1837, um ein eigenes Champagnerhaus zu gründen. 1838 wurde
das Haus P. A. Mumm & Co. in Reims intern reorganisiert
und war fortan fest in den Händen der Familie Mumm. Nach
dem Tod eines der Gründer, Gottlieb Mumm, gab es 1852 Unstimmigkeiten
zwischen den Partnern. Daraus entstanden zwei Mumm-Häuser
in Reims. Georges Hermann Mumm, Sohn des ursprünglich
an der Gründung beteiligten Bruders Gottlieb Mumm, gründete
nun G. H. Mumm & Co.. Jules Mumm, (1809-1863), Sohn
des ursprünglichen Gründers Jacobus Mumm, firmierte nunmehr unter
Jules Mumm & Co. Obwohl inzwischen unabhängig,
blieben beide Häuser in engem Kontakt mit dem Hause Peter
Arnold Mumm in Deutschland. Durch Eheschließungen und
Partnerschaften der Familie Mumm mit Angehörigen bedeutender
Familien aus der Champagne und in Deutschland entstanden strategisch
nützliche Verbindungen mit dem Adel. Die Mumm-Familie wurde
letztlich selbst in den Adelsstand erhoben wurde. Einflussreiche
Familien wie de Bary und von Guaita kamen ins Spiel.
Jules Mumm & Co. geriet jedoch um 1903 finanziell
ins Wanken und wurde 1910 aufgelöst, wobei G. H. Mumm und
Co. die vormalige Firma teilweise aufkaufte (u. a. auch die Marke
'Jules Mumm'). Ein kometenhafter Aufstieg des Hauses G.
H. Mumm & Co. folgte. Kurz vor dem ersten Weltkrieg lieferte
das Haus Mumm jährlich bereits 3 Mio. Flaschen Champagner
aus.
Während manch andere Champagner heutzutage voller Stolz
Hinweise auf ihren Status als offizielle Lieferanten des ein
oder anderen königlichen Hofes auf dem Etikett vermerken,
war Mumm bereits 1890 bei vielen königlichen (z.B. Belgien,
Dänemark, England, Norwegen, Österreich-Ungarn, Preußen
und Schweden) wie auch herzöglichen Höfen (z.B. Hessen-Darmstadt,
Oldenburg) ein bevorzugter Lieferant. Es gab früher auch
ein besonderes Mumm-Etikett, welches stolz viele der hoheitlichen
Wappen abbildete.
Bemerkenswert ist auch, dass das Haus Mumm offenbar bis 1880
lediglich einen ganz kleinen Weinberg um Verzenay besaß
(0,23 ha). Erst 1882 kaufte Mumm 7,6 ha im kostbaren Weinstädchen
Cramant auf. 1914 besaß das Haus schon fast 50 ha Weinberge.
Weit mehr Weinberge sollten später folgen. Weinbau in der
Champagne war zur damaligen Zeit ein äußerst aufwändiges
Unterfangen. Abgesehen vom ohnehin unberechenbaren Klima in der
Champagne, welches mit Stürmen, Hagel, Regen und Frost noch
heute großflächigen Schaden anrichten kann, waren
die Rebstöcke ständig einer großen Anzahl übler
Schädlinge ausgesetzt, welche von den Winzern laufend mit
mühseliger Handarbeit bekämpft werden mussten. Rebstöcke
wurden damals zudem mit Holzpfosten (statt, wie später,
mit Drahtsträngen) gesichert, welche bei Wind und Wetter
von Weinbergarbeitern mit schweren hölzernen Brustplatten
in den Boden gestampft werden mussten. Oftmals fielen die Ernten
quantitativ klein oder qualitativ minderwertig aus. Es ist somit
einleuchtend, dass mehrere Champagnerhäuser sich damals
eher dem Ankauf von Grundweinen und Reben widmeten statt den
mühsamen und betriebswirtschaftlich riskanten Weinbau selbst
zu betreiben.
Bei Mumm wurde schon früh auf die Qualität der Grundweine
und die sachgerechte Herstellung der Champagner geachtet. Der
Historiker Patrick Forbes merkt an, dass Mumm bereits
1836 mehrere riesige Fässer à 12.000 Liter Fassungsvermögen
aus der Rheinpfalz importierte, welche für die erste Gärung
eingesetzt wurden. Parallel dazu wurden moderne Traubenpressen
installiert. Bereits in den 1850er Jahren begann Mumm zudem,
große Keller tief im Kalkstein zu erbauen, welche für
eine optimale Lagerung der Champagner sorgten.
Als
Deutschland Frankreich 1914 den Krieg erklärte, war Georges
Hermann (von) Mumm noch deutscher Staatsbürger. Dies
wurde ihm nun plötzlich zum Verhängnis. Er wurde zusammen
mit anderen Deutschen in Reims verhaftet, abgeführt und
inhaftiert. Das Haus G. H. Mumm & Co. wurde im selben
Jahr als Ganzes konfisziert. Der frühere Verkaufsleiter
und vormals enge Mitarbeiter von Herrn Mumm, Georges Robinet
(1869-1953), kümmerte sich während der turbulenten
Kriegsjahre freiwillig um das Schicksal des Hauses. Er selbst
stammte aus einer alteingesessenen und angesehenen Familie aus
der Champagne. Das Thema 'Champagner' war ihm bis ins Detail
durch lebenslange Praxis bestens bekannt.
Nach dem Krieg wurde das Haus mitsamt seinen Marken im Jahre 1920
versteigert. Der Zuschlag ging an eine Gruppe namens 'Société
Vinicole de Champagne', dessen Vorstand Georges Robinet (weiterhin)
als Leiter für das Haus ernannte. Bis 1940 lenkte er die
Geschicke des Hauses Mumm äußerst erfolgreich. Während
seiner Amtszeit rückte er die französische Marke 'Cordon
Rouge' mit geschicktem Marketing in den Vordergrund und ließ
den deutsch klingenden Namen 'Mumm' in den Hintergrund treten.
Er fürchtete damals, dass sich der deutsche Name 'Mumm'
im Verkauf hindernd auswirken könnte.
Während des Ersten Weltkrieges hatte Robinet einen Rechtsanwalt
namens René Lalou aus Paris kennen gelernt, welcher
während seiner Militärzeit für den Nachschub an
Champagner für die französischen Front-Soldaten verantwortlich
war. Die beiden Männer wurden später enge Freunde.
René Lalou hatte 1904 eine Dame aus der Familie Dubonnet
geheiratet. Ein Emile Dubonnet befand sich im derzeitigen
Vorstand des Hauses Mumm. Lalou wurde auf Grund seiner Leistungen
und familiären Verbindungen 1929 in den Vorstand berufen,
wo er u. a. die finanzielle Basis des Hauses gezielt stärkte.
Bereits in den 20er Jahren - den 'Roaring Twenties'- hatte
sich das Haus wieder völlig
stabilisiert. Anfang der 1930er Jahre war das Haus Mumm stärker
denn je - weitere Weinberge wurden aufgekauft und hochwertige
Champagner hervorgebracht. Einer erfolgreichen Zukunft schien
nichts mehr im Wege zu stehen - bis der Zweite Weltkrieg ausbrach.
Zwischen 1940 und 1944 war die Champagne von der deutschen
Wehrmacht besetzt. Ein deutscher 'Beauftragter für den
Weinimport Frankreich' namens Otto Klaebisch war für
die Aufsicht aller Weine der Champagne zuständig. Unter
anderem hatte er für den günstigen Ankauf von Champagnern
zu sorgen, welche dann in Deutschland und teilweise auch über
Deutschland ins Ausland verkauft wurden. Zudem versorgte er die
Wehrmacht mit Champagner. Und er hatte vor Ort für die Aufrechterhaltung
der Champagner-Produktion zu sorgen. Marktähnliche Verhandlungen
mit den Häusern und der Vichy-Regierung des besetzten Frankreichs
wurden implementiert. Aber es wurden Champagner bei Bedarf auch
manchmal einfach konfisziert. Die Champagner-Produktion selbst
ging weiter. Im Volksmund der Champagne wurde Klaebisch damals
als 'Führer der Champagne' bezeichnet. Nicht eine
einzige Flasche Champagner konnte ohne seine Erlaubnis verkauft
werden. Anfangs glaubten manche Winzer irrtümlich, Klaebisch
mit minderwertigen Champagnern täuschen zu können.
Der aus dem Rheingau stammende Klaebisch jedoch war bestens vertraut
mit Champagner, Schaumwein und Wein überhaupt, zumal er
vor dem Krieg bei einem Sekt-Haus tätig war. Anzumerken
ist auch, dass sein Schwager Joachim von Ribbentrop Außenminister
des Deutschen Reiches war. Von Ribbentrop war vor seiner politischen
Karriere als Champagner-Vertreter in Deutschland tätig.
Ca. 320 Mio. Flaschen des edlen Getränks wurden bereits
1940 ins Deutsche Reich abtransportiert.
Zu dieser Zeit meldete sich ein Herr Godefroy Hermann von
Mumm, der 1908 in Reims geborene Sohn von Georges Hermann
von Mumm, bei der Société Vinicole de Champagne
in Paris. Laut dem Historiker François Bonal teilte
er dem Vorsitzenden René Lalou mit, dass dieser nun überflüssig
sei, da es ab sofort keinen Vorsitzenden mehr gäbe. Gleichzeitig
gab er ihm deutlich zu verstehen, dass das Haus Mumm sein Familienhaus
sei. Am selben Tag erschien er auch in Reims und entließ
Georges Robinet fristlos. In der folgenden Zeit machte er sich
einen Namen als fähiger Leiter des Hauses Mumm, welcher
sich vorbildlich um seine Angestellten kümmerte. Für
die Kinder der Angestellten wurde eine Freizeitanlage in Verzenay
angelegt. Zudem gelang es ihm, fast alle Angestellten, die durch
den Krieg in deutsche Gefangenschaft gerieten, zu befreien. Den
schwierigen Zeiten zum Trotz konnte er zwischen 1 und 1,5 Mio.
Flaschen Champagner pro Jahr ausliefern. Ein 'Großkunde'
war die Wehrmacht. Die Etiketten hierfür mussten, den Vorschriften
entsprechend, mit 'Wehrmachts- Marketenderware Verkauf im
freien Handel verboten' und 'Réservé à
la Wehrmacht Achat et revente interdits' gekennzeichnet sein.
Kauf und Verkauf dieser Champagner auf dem zivilen Markt war
strengstens untersagt.
Im heimischen Markt Frankreich lief der Champagner-Verkauf
für das Haus Mumm gut, 1942 mit 370.000 Flaschen Champagner
sogar sehr gut. Die oben erwähnte Sorge des Herrn Robinet
um den deutschen Namen Mumm bei der Vermarktung innerhalb Frankreichs
dürfte somit unangebracht gewesen sein. Viele große
Export-Kunden wie beispielsweise die USA konnten zu jener Zeit
natürlich nicht bedient werden. Lieferungen an neutrale
Länder wurden streng überwacht und quantitativ begrenzt.
In den Wochen nach den blutigen Gefechten des 6. Juni 1944 in
der Normandie (D-Day) rechneten viele Franzosen in der Champagne
bereits mit der Befreiung Frankreichs durch die alliierten Streitkräfte.
Im August 1944 verabschiedete sich Godefroy Hermann von Mumm
in perfektem Französisch von seinen Angestellten mit dem
Wunsch, dass sie bitte nie vergessen sollten, dass Mumm ein großer
Name sei, welcher sich weiterhin durch die Leistung der Mitarbeiter
im Weltmarkt behaupten solle - ein Wunsch, welcher heute im Rückblick
als erfüllt gelten dürfte. Unmittelbar darauf geriet
von Mumm in englische Gefangenschaft. Am 7. Mai 1945 (VE-Day)
wurde ein schlichtes Schulzimmer in Reims, Hauptquartier des
General Eisenhower, durch die Unterzeichnung der bedingungslosen
Kapitulation aller deutscher Streitkräfte als 'Salle
de Reddition' bekannt.
Nach dem
Krieg übernahm die Société Vinicole de
Champagne wieder das Haus Mumm.
1946 wurde der Name des Hauses auf 'G. H. Mumm & Co.,
Société Vinicole de Champagne, Successeurs'
umbenannt. Dieser lange Name erschien über viele Jahrzehnte
in voller Länge auf Mumm-Etiketten. Auch René Lalou
war wieder da - nicht nur als Vorsitzender im Vorstand, sondern
auch als Betriebsleiter. Gleich nach dem Krieg war besonders
das Militär der Alliierten Großkunde des Hauses. In
den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts stieg die Nachfrage nach Mumm-Champagnern
enorm an. Gleichzeitig erweiterte Mumm seinen Weinberg-Besitz
erheblich und expandierte stetig. In den 60er Jahren waren es
rund 3 Mio., in den 70er Jahren 6 Mio. Flaschen. 1979 waren es
schon fast 9 Mio. Flaschen Champagner. René Lalou implementierte
die alte Strategie der Anpassung der Geschmacksrichtungen an
verschiedene Export-Märkte - ähnlich wie damals zu
Zeiten der Könige und Zaren. Mit der Qualität legendärer
Cuvées aus dem Hause Mumm als Basis wurde die Dosage zeitgemäßer
Geschmacks-Trends den wichtigen Export-Ländern gezielt angepasst.
So gab es zeitweise einen 'Goût Americain', welcher
die in den USA beliebten Geschmacksnoten betonte.
René Lalou starb 1973 im hohen Alter von 96 Jahren.
Noch viele Jahre nach seinem Tod wurde er mit einem besonderen
Champagne René Lalou geehrt, dessen Rezept er selbst wenige Jahre vor seinem
Tod komponiert hatte. Abgesehen von der Königsmutter in
England (ihr Lieblings-Champagner!) punktete dieser Champagner
unter international renommierten Kennern regelmäßig
jenseits von 90 Punkten.
1955 stieg der kanadische Konzern Seagram Distillers Corporation
mit einem Aktienkauf in das Unternehmen ein. Der damalige Präsident
des Hauses Seagram, Samuel Bronfman (1889-1971), trat
1959 in den Vorstand des Hauses Mumm ein. Erheblicher Expansions-Drang
zeichnete sich bereits im selben Jahr ab: So wurden 79% des berühmten
Champagner-Hauses Perrier-Jouët übernommen.
Obwohl unabhängig voneinander, entschieden sich die beiden
Häuser für die gemeinschaftliche Pflege ihrer Weinberge
und für die gemeinsame Nutzung bestimmter Gerätschaften
und Produktionsstätten. 1972 beteiligte sich das Haus Mumm
beim ebenfalls berühmten Hause Heidsieck und Co. Monopole
zuerst mit 84%, dann 1980 zu 99% und übernahm das Haus im
Jahre 1985 vollständig.
Inzwischen wurde die Unternehmung auch als 'Mumm Gruppe'
bezeichnet, obwohl die verschiedenen Häuser im Management
und in der Produktion ihrer Champagner weitestgehend unabhängig
blieben. 1985 beteiligte sich Seagram mit 91% mehrheitlich an
der Mumm Gruppe. 1999 kaufte der amerikanische Konzern Hicks,
Muse, Tate & Furst das Haus G. H. Mumm auf. Zur Zeit
dieses Berichtes gehört das Champagner-Haus G.H. Mumm zum
britischen Konzern Allied Domecq.
Links:
Besuchen Sie das Haus G. H. Mumm online. Auch eine deutschsprachige
Fassung steht zur Verfügung: Mumm
Die Abbildungen der Dame auf dem Balkon und dem grüssenden
Herrn stammen aus einer Mumm-Speisekarte des Hotel de France
in Thann. Der Anlass war ein französischer Unteroffiziersball
im Jahre 1936. Die Speisekarte wurde auf der Vorder- und Rückseite
von den Teilnehmern unterschrieben.
Vollansicht
der Speisekarte
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