Materialkunde
Borsten und Haare - eine kleine Materialkunde
Für das Bestecken eines Pinsels eignen sich die unterschiedlichsten
Materialien. Nachdem man früher allein auf Naturhaare und
Borsten angewiesen war, stehen seit geraumer Zeit verschiedene
synthetische Ersatzmaterialien bereit. Die jeweiligen Materialeigenschaften
sind entscheidend für den späteren Einsatzbereich des
Pinsels; ebenso hat das gewählte Material einen erheblichen
Einfluss auf den späteren Preis des Pinsels.
Bei den Naturmaterialien ist zwischen Borsten und Haaren zu
unterscheiden. Borsten stammen immer vom Haus- beziehungsweise
vom Wildschwein. Andernfalls - so hat es das Deutsche Institut
für Normung festgelegt - muss zwingend in Deutschland ein
Zusatz wie etwa Polyamidborsten in der Bezeichnung vermerkt werden.
Schweineborsten werden ganz überwiegend aus der Rückenpartie
des Schweins gewonnen, da hier die Borsten am längsten und
kräftigsten sind. Erst ausgewachsene Tiere sind gute Borstenlieferanten.
Beim europäischen Hausschwein sich nur die Borsten der Winterperiode
für die Pinsel- und Bürstenproduktion geeignet. Im
Freien lebende Tiere entwickeln eine kräftigere und dichtere
Behaarung als Stalltiere. Deshalb sind die Borsten der Wildschweine
den Hausschweinborsten qualitativ deutlich überlegen.
Vor der Verwendung in Pinseln und Bürsten muss die Rohware
zunächst zugerichtet werden. In verschiedenen Prozessen
wird sie entfilzt, gereinigt und zum Teil auch gebleicht. Dann
werden die von Natur aus gekrümmten Borsten gerade gebunden,
gekocht und wieder getrocknet. Dann werden die Borsten noch gleich
ausgerichtet und nach Länge sortiert. Diese Arbeitsschritte,
die früher aufwändige Handarbeit waren, werden heute
komplett maschinell erledigt. Großproduzent für Borsten
ist heute die Volksrepublik China.
Borsten finden Verwendung vor allem für Malerdeckenbürsten,
für Flächenstreicher, für Lackierpinsel, Heizkörperpinsel
oder für in der Schule beim Malen eingesetzte Borstenpinsel.
Die nächste Gruppe der natürlichen Besatzmaterialien
bezeichnet man als so genannte Grobhaare, bisweilen auch als
Langhaare. Sie stammen von Mähne und Schweif des Pferdes
sowie vom Schweif von Rindern. Besonders das Pferde- oder Rosshaar
hat eine lange Tradition als Rohstoff für die Bürsten-
und Besenherstellung.
Als Feinhaare bezeichnet man kürzere und zugleich auch
dünnere und feinere Haare, wie sie vorrangig für die
Produktion von Haarpinseln benutzt werden. Feinhaare werden nicht
gekocht, was ihre feine Struktur zerstören würde, sie
sind aber auch von Natur aus schon gerade.
Das kostbarste aller Feinhaare ist das Kolinskyhaar. Es stammt
von einer in Asien beheimateten Marderart und ist zugerichtet
erheblich mehr wert als die gleiche Menge an Gold. Wegen seiner
rotblonden Farbe hat sich für das Haar des Kolinsky auch
die Bezeichnung Rotmarderhaar eingebürgert. Kolinskyhaar
besticht durch seine extreme Elastizität, ist fein und doch
kräftig und besitzt samtweiche Spitzen. Es wird zum Beispiel
für hochwertige Aquarellpinsel, für Pinsel in der Ölmalerei,
aber auch für Retuschierpinsel im fotografischen Gewerbe
eingesetzt.
Kürzer und struppiger fällt das Wieselhaar, zum
Beispiel von Mauswiesel oder Hermelin aus. Es reicht nicht an
die Qualität von Kolinskyhaar heran und wird für Künstler-
und Kosmetikpinsel benutzt. Oft wird Wieselhaar auch als Beimischung
für das sehr teure Kolinskyhaar verwendet.
Iltishaare sind relativ kurz und finden für diverse kleine
Feinhaarpinsel Verwendung. Ein deutlich bekannteres Feinhaar
ist da schon das Fehhaar, das aus dem Schweif von Eichhörnchen
gewonnen wird. Dieses Haar kommt besonders für Künstlerpinsel
und gute Schulpinsel zum Einsatz.
Ponyhaar stammt von diversen Kleinpferden und ist eher von
mäßiger Qualität. Es ist weniger kräftig
und auch längst nicht so elastisch wie andere Naturhaare.
Genutzt wird es überwiegend für preiswerte Schulpinsel
und Haarpinsel einfacher Qualität.
Zu nennen ist auch noch das Rindsohrenhaar. Es stammt von
den Ohrenrändern des Rinds und ist sehr beliebt für
Feinhaarpinsel, die einen etwas längeren Haarbesatz aufweisen
sollen wie etwa Schriftmal- oder Plakatschreibpinsel.
Weitere Feinhaare liefern der Bär oder die Ziege; sie
sind aber wirtschaftlich eher unbedeutend. Interessanter ist
da schon das Dachshaar. Es wird sehr gerne für Rasierpinsel
verwendet.
Zum Teil haben auch pflanzliche Fasern eine Bedeutung für
die Pinsel- und Bürstenproduktion. Diese Pflanzenfasern
rühren vor allem von bestimmten Agavenarten, von der Kokospalme
sowie anderen tropischen Gewächsen. Verstärkte Konkurrenz
haben diese Fasern von synthetischen Produkten erfahren.
Synthetische Besteckungsmaterialien schließlich sind
Produkte der chemischen Industrie. Sowohl Borsten als auch Haare
und Fasern können synthetisch erzeugt werden. Anfangs wurden
sie etwas abwertend oder zumindest kritisch als Kunsthaare, Kunstfasern
und Kunstborsten bezeichnet. Ihr Siegeszug war natürlich
erst durch die Fortschritte in der chemischen Industrie möglich.
Begünstigt wurde dieser Ablösungsprozess aber auch
durch die immer knapper werdenden natürlichen Rohstoffe.
Heute haben die synthetischen Ersatzmaterialien feste Marktanteile
und sind oft deutlich günstiger in der Herstellung. Zum
Teil kommen die Chemieprodukte den natürlichen Materialien
qualitativ sehr nahe oder sind ihnen teilweise sogar überlegen.
Für die synthetischen Austauschstoffe werden unter anderem
Polyamide, Polyvinylchloride, Polystrole, Polyester und Polypropylene
verwendet. Unter den Polyamiden sind Nylon und Perlon am bekanntesten
geworden. Das Produkt Polyamid eignet sich zum Beispiel für
Deckenbürsten, für verschiedene Pinsel oder Besen.
Polyesterfasern sind sehr steif und nehmen kaum Wasser auf. Pinsel
mit Polyesterbesatz halten daher deutlich länger als mit
Naturborsten ausgerüstete Pinsel.
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