Barrique
John McCabe
Ein
Barrique ist ein Standardfass in der Weinbereitung (Inhalt 225
Liter). 'Barrique' gilt auch als ein Ausdruck unter Kennern für
Wein, welcher in Eichenholzfässern gereift wurde und daher
öfters ein gewisses Holzaroma (holzig) aufweist.
Bei Weißweinen drückt sich das Aroma durch eine
Vanille-/Pfirsich-Nase und bei Rotweinen durch eine Kirsch-Nase
aus. Auch die stillen Weine mancher Champagner werden in kleinen
und grossen Eichenholzfässern gelagert (siehe z.B. Bollinger,
Roederer,
Krug).
Das Lagern der Weine in Holzfässern wird als Ausbau
bezeichnet. Bei der Herstellung der Fässer wird nur das
beste Eichenholz aus beispielsweise Allier, Nevers, Troncais,
Limousin und/oder Taranceau in Frankreich sowie anderen Gebieten
in den USA und Russland eingesetzt. Das Holz muss mindestens 40 Jahre
alt sein (das Durchschnittsalter liegt bei weit über 100
Jahren). Jede Eichenart hat besondere Eigenschaften, welche den
Wein letzlich beeinflussen.
Historisch war Eichenholz über viele Jahrhunderte hochbegehrt.
Die Erstellung von Fässern war eher ein verhältnismässig
kleiner Teil der Gesammtverwertung. Als der französische
König Ludwig XIV sich für den Bau einer mächtigen
französischen Marine entschied, wurde Eichenholz in Frankreich
geradezu Mangelware. Das benötigte Eichenholz für nur
ein Schiff bedeutete das Roden von ca. 20 bis 30 ha Eichenbestand.
Zudem waren die Schiffe daraufhin oft lediglich 15 bis 20 Jahre
im Einsatz, ehe sie ersetzt (teilweise auch zwischenzeitig versenkt)
wurden. Zum Glück hatte der König einen äusserst
talentierten contrôleur général bzw. Finanzminister
namens Jean Baptiste Colbert (1619-1683). Colbert liess
enorme Neubepflanzungen der Eichen in Frankreich anlegen, welches
vielen seiner Zeitgenossen als unsinnig erschien. Überdies
beauftragte er schon 1654 seinen Kriegsminister Jean Talon
Eichenholz aus dem Schwarzwald, Ungarn und Österreich
nach Frankreich zu importieren. Letztlich wurde auf diplomatischen
Umwegen sogar Eichenholz beim Zaren in Russland eingekauft. Eigens
dafür wurden französische Holzfäller nach Russland
entsandt, um dieses Handwerk den Einheimischen zu lehren. Bis
hin zu den Napoleonischen Kriegen währte reger Import der
Eichenhölzer aus Russland. Viele der heute noch existierenden
alten Eichen in Frankreich sind Colbert zu verdanken.
Obwohl es ca. 400 Eichen-Arten gibt, eignen sich lediglich
rund 20 zur Erstellung eines Barrique. Das Eichenholz
bereichert den Wein mit wertvollen Aromen und Tanninen. Diese
durch das Fass gespendete Bereicherung ist jedoch nicht unerschöpflich:
Bereits nach der ersten Lagerung des Weines hat ein Fass den
Großteil seiner vorhandenen Aromen und Tannine in den Wein
abgegeben.
Dies bedingt, dass ein Fass bei vielen Winzern nach zwei bis
drei Weinlagerungen ersetzt wird. Dies ist jedoch nicht immer
der Fall. Das Haus Louis Roederer z.B. lagert Reserveweine in
grossen Fässern (sogenannte foudres), welche
4.000-5.000 Liter fassen und bis zu 60 Jahre alt sind. Das Haus
Krug wiederum nutzt statt einem typischen Barrique ein etwas
kleineres 205 Liter Fass (ein pièce in der Champagne),
wobei neue Fässer nicht für die Weine in der Bereitung
ihrer Champagner eingesetzt werden, sondern über Jahre erst
nur Restweine lagern, ehe sie die edelen Hausweine beherbergen
dürfen. Dafür gibt es gute Gründe, da der Ausbau
in Holzfässern kaum nur im Sinne Tannin und Holzgeschmack
zu begründen ist, sondern auch andere wichtige Aspekte einfliessen.
Ein
Barrique (oder jegliches Holzfass) belüftet den Wein dezent
durch etwas natürlichen Hohlraum oben im Inneren des Fasses
sowie etwas Porosität des Eichenholzes. Dadurch oxidiert
der Wein ganz leicht über Zeit. Der Fasseinbrand (Toasting)
mancher Fässer vermittelt zusätzliche Aromen, welche
beim Genuss des Weines dann an Toastbrot oder Kaffee erinnern
können.
Fassausbau hat auch Nachteile. Ein leeres Barrique lässt
sich ohne weiteres von einer kräftigen Person im Lager bewegen.
Dem ist jedoch nicht so, wenn das Barrique mit Wein gefüllt
ist. Auch das Stapeln der Fässer lässt sich nur mit
grosser Vorsicht vollziehen. Ein volles Fass ist zwar pflegeleicht,
aber sobald es geleert wird, muss es mit sauberem Wasser umgehend
gereinigt werden. Manche Winzer leeren die Fässer oft erst
dann, wenn neuer Wein für die Fässer bereitsteht, damit
die Fässer nicht austrocknen. Ein neues Barrique z.B. kann sich mit bis
zu 15 Litern Wein im Holz erst sättigen. Sobald das Barrique
ein paar Tage leer steht, kann sich dieser verbleibende Wein
im Holz in Essig umwandeln. Nun muss das Barrique erst wieder
sterilisiert werden, ehe es für weitere Weinlagerung brauchbar
ist. Diese natürlichen Behälter sind ebenso hier und
da für ein Leck vorbestimmt. Da Chemikalien im Holz bestmöglichst
vermieden werden, finden auch Holzbohrer öfters grosses
Gefallen an den Fässern. Die Reparatur eines Barrique darf
nur einem Fachmann überlassen bleiben. Beim Hause Bollinger
befindet sich sogar ein echter Küfer unter den Angestellten.
Andere Häuser überlassen die aufwändige Pflege
der Holzfässer spezialisierten Firmen wie beispielsweise
Seguin Moreau.
Auf jeden Fall begünstigt der Fass-Ausbau in Barriques
u.a. deutlich mehr Aromen als die Stahltank-Lagerung. Ein
Barrique aus französischem Eichenholz kann z.B. einen Winzer
in USA ca. US$600 kosten. Barriques aus bestimmten amerikanischen
Eichen wiederum kosten den selben Winzer ca. US$250. Ausbau geht
somit mit wesentlich mehr Aufwand und höheren Kosten für
den Winzer einher (egal wo auf dieser Welt). Manche Winzer umgehen
folglich den Aufwand der traditionellen Fässer mit Eichen-Chips
in ihren Edelstahlfässern. Die getränkten Chips sinken
dann pflegeleicht zum Boden der Stahltanks und bereichern gleichzeitig
den Wein mit holzigen Aromen. Aber ein Stahltank atmet nicht
wie ein Barrique und kann sich letztlich somit nicht mit dem
besonderen Charakter traditionell ausgebauter Weine unter Kennern
messen. Viele Winzer und Weinprofis verachten zudem das 'Nachholzen'
mit Chips für aromatische Zwecke als eine täuschende
Unsitte, zumal zahllose fantastische Weine dieser Welt seit vielen
Jahrzehnten durch Gärung und Lagerung in Edelstahltanks
auch ohne Holz bereitet werden.
Ein vom Winzer letztlich ausrangiertes Barrique hat jedoch
keinesfalls ausgedient. Ein altes Barrique wird oft im Verkostungsraum
beim Winzer für Kunden und Freunde als kleiner Tisch eingesetzt,
ist auch als stilgerechter Tisch bei Weinliebhabern im Keller
zuhause beliebt und kann als dekorativer Akzent im Garten dienen.
Links:
Die weltbekannte Firma Seguin Moreau
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