Champagner: Die kostbaren Perlen!
John McCabe
"Brüder! Kommt geschwind. Ich trinke Sterne!"
soll Ende des 17. Jahrhunderts der Kellermeister und Prokurator
der Abtei von Hautvillers Dom Pérignon begeistert ausgerufen
haben.
Das Perlenspiel
im Champagner wird als das Moussieren ("Mousse") bezeichnet.
Unter Kennern gelten die Perlen als wichtiger Hinweis auf die
Qualität des Champagner: Je feiner seine aufsteigenden Perlen
sind, je ausgewogener sich der (infolgedessen auf der Oberfläche
bildende) Schaum-Kranz (die Perlen-Collerette bzw.
"la fine collerette de mousse à la surface")
zeigt, desto delikater prickelnd dürfte er
auch im Gaumen wirken . Große Kohlensäurebläschen
in Schaumweinen werden dagegen abwertend als 'oil de crapaud'
(Froschaugen) bezeichnet. Übrigens soll, laut der Wissenschaftler
Bill Lembeck, eine Normalflasche Champagner 49 Mio. Perlen enthalten.
Die Feinperligkeit eines Champagners ergibt sich aus äußerst
aufwändiger Kellertechnik und vortrefflicher Vinifizierung
.
Der Liqueur de tirage, eine genau abgestimmte Mischung
aus 'Champagnerhefe' und Zucker, wird dem trockenen, stillen
Wein für die zweite Gärung (diesmal in der Flasche)
hinzugegeben.
Diese Dosage (nicht zu verwechseln mit der erst vor dem
endgültigen Verkorken vorgenommenen Dosage,
dem 'Liqueur d'expédition') entscheidet im Wesentlichen
über die Erzielung der Perlen bzw. dem idealen Kohlensäuregehalt
des Champagner.
Nach dieser (Tirage-)Abfüllung werden die Flaschen mit einem
temporären Korken versehen. Hierzu wird generell ein Kronkorken,
manchmal aber auch ein traditioneller liège et agrafe
(ein besonderer Korken mit einem Metallbügel) benutzt, welcher
zudem einen Ring (zur Aufnahme des Bügels) im Design des
Flaschenhalses aufweist.
Nun wird der junge Champagner gründlich durchgerüttelt,
damit sich der Liqueur de tirage gut vermischt, und wird
dann in die berühmten tiefen, kühlen Keller (Caves)
gebracht. Die dort herrschenden kühlen Temperaturen (ca.10°
- 12° C) bedingen eine langsame Gärung. Dort schlummern
die Flaschen dann, oft auf dünnen Brettern gelagert (sur
lattes). Die Flaschen werden zwischendurch öfters- entweder
per Hand oder durch einen Gabelstapler- leicht geschüttelt.
Das bringt Bewegung in die Hefeablagerung im Vorfeld des formellen
'Rütteln' (Remuage).
Zwischenzeitig vergärt die Champagnerhefe langsam den
Zucker zu Alkohol und Kohlensäure.
Dieser gemächlichen Gärung unter optimalen Voraussetzungen
sind sowohl die herrlich feinen Perlen wie auch besondere Geschmacksnoten
des Champagner zu verdanken. Obwohl die zweite Gärung hinsichtlich
der aktiven Leistung der Hefe spätestens nach wenigen Monaten
abgeschlossen ist, bedeutet dies nicht, dass der Champagner vollendet
ist.
Der Champagner lagert nun 'auf der Hefe', welche zwar großteils
schon abgestorben ist, ihm jedoch trotzdem wichtige, autolytisch
geschaffene geschmackliche und aromatische Nuancen verleiht.
Dem Kellermeister und seinem Team steht noch reichlich Arbeit
bevor. Später folgt nun das Rütteln (Remuage)
entweder per Hand oder maschinell (Gyropalette) und letztlich
das Lagern - ein paar Monate oder sogar Jahre - sur pointes
(die Flaschen stehen letztlich auf dem Kopf). Frühestens
nach ca.15 Monaten (oft auch erst nach mehreren Jahren) ist der
Kellermeister mit der Leistung zufrieden und bestimmt den Champagner
als würdig des Dégorgement, Liqueur d'expédition,
der endgültigen Verkorkung und Auslieferung (siehe auch
Champagnerbereitung).
Für Kenner ist auch das richtige Glas von entscheidender
Bedeutung, um das Perlenspiel optimal zur Geltung kommen zu lassen.
Ein Flötenglas (oder gar eine Schale) mag zwar bei vielen
Zeitgenossen als schick gelten, ist jedoch keineswegs ideal für
eine Studie der Perlen. Kenner ziehen ein Tulpenglas vor (eher
schlicht anmutend, ohne dekorativen Schliff, und am besten im
oberen Bereich leicht nach innen gewölbt). Die Gründe
dafür liegen auf der Hand:
* Nichts soll der Besichtigung der Perlen im Wege stehen (keine
Schliffe, keine Verzierungen...)
* Die Form ist harmonisch ausgeglichen (im Gegensatz zu beispielsweise
einer Sektflöte).
* Der Durchmesser des Randes ist so abgestimmt, dass sowohl Auge
wie auch Nase sich dediziert widmen können (im Gegensatz
zu einer weit geöffneten Schale).
* Eine zusätzliche leichte Wölbung nach innen im oberen
Bereich des Glases fängt die feinen Bukettstoffe des Champagners
noch besser ab.
Ein schönes Beispiel aus der Spiegelau Serie 'Grand Palais' (mundgeblasen).
Oben links auf dieser Seite sehen Sie ein weiteres Beispiel aus
der Spiegelau Serie 'Vino Grande' (maschinengeblasen).
Manchem Genießer mag es bei der Betrachtung der aufsteigenden
Perlen erscheinen, als sei ihr Ausgangspunkt nur durch Zufall
bestimmt. Dies ist nicht der Fall. Die Wiegen der Perlen (Moussierpunkte)
sind winzige raue Stellen im Glas (mit bloßem Auge kaum
wahrnehmbare Unebenheiten, Kratzer und/oder Chips). Manche Glashersteller
arbeiten sogar absichtlich solche 'Moussierpunkte' in ihre Gläser
ein. Eine Studie des Physikers Gerard Liger-Belair hat zudem
fotografisch belegt (siehe Link weiter unten), dass die meisten
'Wiegen' der Champagner-Perlen überdies durch mikroskopisch
kleine Staubpartikel geschaffen werden, welche sich ganz natürlich
selbst ins reinste Glas einschleichen - schon das saubere Tuch
zum Trocknen des Glases könnte ein dazu beitragender Verursacher
sein.
Tödlich für die ordentliche Entfaltung der Perlen
sind Seifen- und Fettrückstände im Glas. Sie 'entspannen'
den Champagner (siehe auch Wie
man Champagner serviert).
Als absoluter Höhepunkt des 'Banausentums' gelten unter
Kennern die 'Champagner-Quirle': Diese grausamen Schaumschläger
bewirken, dass die (mitunter über viele Jahre mühsam
geschaffenen) kostbaren Perlen binnen Sekunden zerstört
werden.
Zwei typische Quirle
Linktipp:
Eine wissenschaftliche Studie mit bemerkenswerten Fotos der Perlen
des Champagners können Sie hier einsehen:
https://www.europhysicsnews.com/full/13/article3/article3.html
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