Kohlensäure
John McCabe
In der Umgangssprache wird das Kohlendioxyd (CO2) im Schaumwein
gemeinhin als Kohlensäure (H2CO3) bezeichnet, obwohl nur
ein verhältnismässig kleiner Anteil des physikalisch
im Wein gelösten Kohlendioxyd (CO2 )sich mit dem Wasser
tatsächlich 'verheiratet' bzw. eigentliche Kohlensäure
(H2CO3) bedingt.
Wie die Bezeichnung vermuten lässt, wirkt Kohlensäure
leicht sauer. Dies wiederum beeinflusst die empfundene Süße
eines Schaumweines (die staatlich erlaubten Grenzen der Restzuckerwerte
können daher durch den verhältnismäßig hohen
Kohlensäure-Gehalt bei Schaumweinen höher liegen).
Kohlensäure betont zudem manche geschmacklichen Komponenten
eines Weines wie z.B. Säuren
und Tannine.
Viele Kenner vermeiden auch aus diesem Grund im Vorfeld oder
während einer Degustation den Genuss gewisser Mineralwasser,
weil sie einerseits oft nicht geschmacksneutral sind (Mineralstoffe)
und andererseits mehr oder weniger Kohlensäure enthalten.
Die Kohlensäure beeinflusst folglich die geschmackliche
Wahrnehmung des verkosteten Weines. Der Wein könnte somit
z.B. herber oder säurebetonter wirken als er vom Säuregehalt
her tatsächlich ist. Folglich werden oft Mineralwasser mit
minimaler (oder keiner) Kohlensäure und gleichzeitig schwach
mineralisiert (weniger als 500 Milligramm Mineralstoffen pro
Liter) bevorzugt. Viele Weinliebhaber halten sich auch einfach
an geschmacksneutrales Leitungswasser vor/während einer
Verkostung.
Wie geschmacklich ausschlaggebend CO2 und Kohlensäure wirkt,
veranschaulicht das Probieren von Schaumweinen (oder gar einer
'Cola') nach dem Öffnen ein paar Tage später ohne Kohlensäure.
Die Kohlensäure baut sich schnell wieder ab. Sobald der
Schaumwein schal (abgelebt, tot, passé, 'flat'...) ist,
wirkt er (mitunter erheblich) süsser.
Laut einer Studie der Universität Surrey in Guildford,
Großbritannien soll Kohlensäure/CO2 zum Anteil an
der Alkoholkonzentration im Blut beitragen (siehe Verlinkungen
unten). Der einen Testgruppe wurde schaler Champagner serviert
. Nach fünf Minuten hatte die Gruppe mit ordentlichem Champagner
0,54 Promille, die Testgruppe mit dem abgelebten Champagner lediglich
0,39 Promille.
CO2-Gehalt entsteht bei Schaumweinen primär durch drei
Verfahren:
1. Durch Imprägnierung bzw. dem Zusatz von (fremdem) CO2-Gas.
2. Durch die erste Gärung, wobei beim An- oder Vergären
von Most entstandenes CO2 nur zum Teil oder ganz in Edelstahltanks
gehalten wird.
3. Durch eine zweite Gärung, wobei durch erneutes Vergären
ein bereits vergorener Stillwein mittels einer zweiter Gärung
in der Flasche (Flaschengärung) oder im Edelstahltank (Großraumgärung)
zu Schaumwein wird.
Beim Champagner (nur reine Flaschengärung gestattet)
vollzieht sich der Vorgang wie folgt:
Nach dem Verschnitt wird dem Wein eine Mischung aus Wein, Zucker
und Hefe zugesetzt, bevor er für die zweite Gärung
in Flaschen abgefüllt wird. Diese Fülldosage ("liqueur
de tirage", nicht zu verwechseln mit der erst vor dem endgültigen
Verkorken vorgenommenen Dosage,
dem "liqueur d'expedition") entscheidet wesentlich
über die Erzielung des richtigen Kohlensäuregehaltes
des Endproduktes. Innerhalb von etwa sieben Wochen ist die Entwicklung
der Kohlensäure/CO2 vollendet. Ein typischer Champagner
(oder Sekt) begegnet uns somit mit ca. 5-6 bar Überdruck,
durch welchen viel CO2 (ca. 9 Gramm pro Liter) in seiner wasserlösslichen
Form beibehalten werden kann. Ebenso löst sich das CO2 vorteilhafter
im kühlen Wein und lässt sich in der Form H2CO3 länger
halten (ein Grund, warum Champagner kühl serviert werden
sollte). An dieser Stelle sei auch angemerkt, dass der Brauch
des Silberlöffels im Flaschenhals einer angebrochenen Flasche
im Kühlschrank wenig bis nichts an Vorteilen im Sinne der
Wahrung der kostbaren Perlen bietet. Die Vorteile des Silberlöffels
als Wärmeleiter sind belanglos. Eine Studie der Zeitschrift
'New Scientist' prüfte dies mit zwei angebrochenen Champagnern
(einmal mit, einmal ohne Löffel). Die wahrgenommene Kohlensäure/CO2
war an folgenden Tagen bei beiden Flaschen exakt gleich. Erst
nach mehr als vier Tagen waren beide Champagner völlig schal
bzw. 'flat'.
Links:
Universität Surrey Studie: Why Bubbly Makes You More Tipsy!
Siehe auch Schaumwein
Siehe auch Schaumwein-Geschichte
Siehe auch 'Champagner:
Die kostbaren Perlen!'
Siehe auch 'Réduction
François'
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