Schaumwein
John McCabe
Vereinfacht bezeichnet der Oberbegriff Schaumwein jene
Weine, welche mit Kohlensäure
(bzw. Kohlendioxyd; CO2) angereichert bzw. übersättigt
wurden und daher einen Überdruck von mindestens 3 bar bei
20 °C aufweisen .
Schaumwein kann durch die Kohlensäure aus seiner natürlichen
Gärung oder durch eingepumpte (fremde) Kohlensäure
entstehen.
Ist der Kohlensäureüberdruck in der Flasche herstellungsbedingt
nur sehr gering (mindestens 1,0 bis 2,5 bar bei 20 °C), sprudelt
der Wein im Glas nur geringfügig und man spricht von einem
'Perlwein'. Perlwein ist kein Schaumwein, sondern gilt von der
Qualitätsstufe her lediglich als 'Tafelwein'.
Schäumender Wein wurde nicht erfunden, sondern ist im
Ursprung eher einer Laune der Natur zu verdanken. Schäumende
Weine werden nicht nur aus Traubensaft hergestellt, sondern auch
aus einer Vielzahl anderer Früchte. Diese werden öfters
als 'schaumweinähnliche Getränke' gruppiert.
Fast jeder Wein hat irgendwann in seiner Entwicklung mehr
oder minder ganz natürlich 'gesprudelt'. Treffen Hefen im
Traubensaft bzw. 'Most' auf Zucker, dann werden sie bei einer
angemessenen Temperatur diesen Zucker in Alkohol
und Kohlensäure
umwandeln. Während dieser sogenannten Gärung sprudelt
jeder Most mehr oder minder. Normalerweise verfliegt die Kohlensäure
während der Gärung jedoch fast so schnell wie sie entsteht.
Sobald die Hefen keinen Zucker mehr verarbeiten, sprudelt der
Most auch nicht mehr. Daraufhin wird dieser alkoholische Most
gemeinhin als (stiller) Wein bezeichnet. Der 'Trick' bei der
Herstellung von Schaumwein ist somit nicht die Bildung der Kohlensäure,
sondern eher das erfolgreiche 'Einsperren' der Kohlensäure
in einer Weinflasche. Dies gelingt durch drei Methoden:
1. Die älteste Methode zur Gewinnung von Schaumwein wird
als ländliche Methode bzw. méthode rurale
bezeichnet. Hierbei gärt der Most teilweise oder vollkommen
in geschlossenen Behältnissen - und zwar lediglich auf Basis
des vorhandenen Traubenzuckers in den ürsprünglichen
Reben.
Der Most gärt (wie bei der Bereitung üblicher Weine
auch) bei dieser Methode nur einmal. Diese Gärung kann entweder
vollständig in druckfesten Behältnissen vollzogen oder
aber durch kühle Temperaturen in ihrem Verlauf unterbrochen
werden. Während die Hefe bei der unterbrochenen Gärung
im kühlen Most vorübergehend ruht, kann dieser noch
unvollständig vergorene Most in Flaschen übertragen
werden, welche daraufhin mit Korken (Kron- oder Naturkorken)
dicht verschlossen werden. Dieselben Hefen setzen dann die Gärung
mit dem verbliebenen Zucker bei wärmeren Temperaturen in
den Flaschen fort. Ist der Prozess beendet, wird der Hefesatz
aus den Flaschen (durch Degorgierung) oder den Druckbehältern
(durch Filter-Verfahren) entfernt. Allgemein werden bei der Flaschengärung
daraufhin dieselben Flaschen endgültig mit Naturkorken
dicht verschlossen. Der Schaumwein aus den Drucktanks wird in
in Flaschen abgefüllt und ebenfalls mit Naturkorken verschlossen.
Schaumweine, welche nur mit dem natürlichen Traubenzucker
der Reben zur Gärung gebracht wurden, werden auch als Naturschaumweine
bezeichnet. Einen Klassiker in dieser Schaumweingruppe stellt
der berühmte Asti Spumante dar. Daneben gibt es den
Blanquette de Limoux und den Clairette de Die.
Im Laufe der Zeit setzten Kellermeister dem Most öfters
mehr oder weniger qualifiziert Zucker zu, um bei seiner Gärung
die Entstehung von mehr Kohlensäure hervorzurufen. Die Perfektion
dieser Art der Schaumweinproduktion (bei der es nicht nur um
'mehr Kohlensäure' ging) entstand in der Champagne. Daher
wurde die dort praktizierte Methode als méthode champenois
weltweit bekannt. Bis in die 80er Jahre des 19. Jahrhunderts
war diese Abwandlung der klassischen méthode rurale
bei der Herstellung von Champagner und Sekt oft noch im Einsatz.
Manchmal wird die Erweiterung bzw. Fortsetzung der ersten Gärung
(Nachgärung) durch Zugabe von Zucker zwecks Förderung
der Kohlensäurebildung in druckfesten Behältnissen
auch als 'zweite Gärung' bezeichnet. Erst seit der erfolgreichen
Züchtung von besonderen Hefen (sogenannten Reinzuchthefen;
1894 in Geisenheim/Deutschland, 1895 in Epernay/Frankreich) kann
jedoch von einer zweiten Gärung bei der Sekt- oder Champagnergewinnung
auf heutigem Niveau die Rede sein.
2. Bei der zweiten Methode wird nicht der Most teilweise oder
vollständig in druckfesten Behältnissen vergärt,
sondern ein fertiger (stiller) Wein durch die Zugabe von Zucker
und Reinzuchthefe zu einer erneuten Gärung angeregt.
Dies wird sinngemäß als die zweite Gärung
bezeichnet. Vereinfacht könnte man auch sagen, daß
talentierte Kellermeister ihre eigentlich bereits vollendeten
Weine durch Zugabe von Zucker und besonderer Hefe nochmals Kohlensäure
produzieren lassen. Diese zweite Gärung der Weine (oder
der Weinverschnitte) muss in Druck-Behältern (Großraumgärung)
oder in verschlossenen Flaschen (Flaschengärung) vollzogen
werden, damit sich die Kohlensäure nicht verflüchtigt.
Die zweite Gärung läßt sich wiederum
durch drei verschiedene Verfahren realisieren:
2a. Charmat-Verfahren, Großraumgärung (méthode
charmat)
Benannt nach dem französischen Wissenschaftler Eugene
Charmat handelt es sich bei diesem Verfahren um Großraumgärung
in großen Edelstahl-Drucktanks. Manche dieser klimatisierten
Tanks fassen 100.000 bis 200.000 Liter Wein. Der Wein wird durch
Zugabe von Zucker und Zuchthefen zur zweiten Gärung gebracht.
Die entstehende Kohlensäure bleibt im Drucktank gefangen
und verwandelt den Wein in Schaumwein. Da die Hefen nach dem
Absterben dem Schaumwein weitere kostbare Geschmacksstoffe verleihen,
wird der Hefesatz im Tank von mächtigen Rührwerken
periodisch aufgewirbelt. Bei deutschem Sekt beispielsweise verbringt
der Schaumwein mindestens sechs Monate mit dem Hefesatz im Tank.
Auch die Dosierung, welche dem Schaumwein die gewünschte
geschmackliche Restsüße verleiht, kann sehr gleichmäßig
in die enorme Menge Schaumewein eingemischt werden. Zuletzt wird
der Tank auf Minusgrade heruntergekühlt. Bei dieser Temperatur
wird die Kohlensäure im Schaumwein 'inaktiv' und daher im
Schaumwein gebunden. Nun kann der Schaumwein gefiltert und und
daraufhin in Flaschen abgefüllt werden. Von den mehr als
1,5 Milliarden Flaschen diverser Schaumweine aus aller Welt wird
der Großteil mit dem Charmat-Verfahren hergestellt. Auch
fast jeder deutsche Sekt entsteht auf diese Weise.
2.b. Transvasier-Verfahren
Die Bezeichnung für dieses Verfahrens leitet sich vom französischen
Wort transvaser ab, was so viel wie 'umfüllen', 'umgießen'
bedeutet. Beim Transvasier-Verfahren handelt es sich um eine
vollautomatische Art der 'Flaschengärung'. Die zweite Gärung
der Weine findet in vielen Flaschen als Anteil eines großen
geschlossenen Systems statt. Nachdem der Wein in den Flaschen
(oft handelt es sich hierbei um Magnum-Flaschen, die mehrfach
eingesetzt werden können) seine zweite Gärung vollendet
hat, wird er mit Gegendruck in große Drucktanks befördert.
Anschließend kann er dort (ähnlich wie beim Charmat-Verfahren)
mit Zucker geschmacklich ausgewogen und gefiltert werden. Dann
wird er in (neue) Flaschen abgefüllt. Der Leser könnte
sich jetzt berechtigt fragen, warum nicht gleich das Charmat-Verfahren
zur Gewinnung des Schaumweins eingesetzt wurde. Der Grund könnte
im Wort 'Flaschengärung' verborgen sein, da der deutsche
Gesetzgeber diese Bezeichnung bei Sekt dieser Art auf dem Etikett
gestattet. Dem Genießer suggeriert das Wort 'Flaschengärung'
wahrscheinlich 'Mehrwert' und 'Tradition', wodurch sich ein höherer
Preis erzielen lassen dürfte.
2.c. Traditionelle Flaschengärung, klassisches Flaschengärverfahren
Schaumweine dieser Art werden ähnlich (manchmal auch genau)
wie Champagner hergestellt. Die zweite Gärung vollzieht
sich in individuellen Flaschen. Die Schaumweine lagern danach
langfristig 'auf der Hefe', werden von Hand oder maschinell gerüttelt,
daraufhin entheft bzw. degorgiert, mitunter mit einer Dosage
versehen, mit Naturkorken versehen und ausgeliefert. Früher
durfte dieses Verfahren in der EG allgemein als méthode
champenois bezeichnet werden. Später wurde diese Bezeichnung
gesetzlich auf Erzeugnisse der Champagne beschränkt. In
manchen anderen Ländern außerhalb der EG gibt es diese
Bezeichnung jedoch noch heute. Durch dieses Verfahren entstehen
die aufwendigsten und zugleich besten Schaumweine der Welt. Champagner
gilt längst als unbestrittener König dieser Klasse,
es gibt jedoch manchmal auch andere vortreffliche Schaumweine
aus verschiedenen Ländern. Beispielsweise gibt es bestimmte
Winzersekte, welche schlichtweg als hervorragend bezeichnet werden
dürfen.
3. Die dritte Methode verdient eigentlich nicht die Bezeichnung
einer 'Methode', da es sich lediglich um das Imprägnieren
mit Kohlensäure bzw. dem nachträglichen Einpumpen fremder
Kohlensäure in einen Wein handelt. Letztlich handelt es
sich beim Enderzeugnis eher eine Art 'Weinbrause', die zwar auch
als 'Schaumwein' bezeichnet werden darf, in manchen Ländern
(wie z.B. in Deutschland) jedoch auf dem Etikett als 'Schaumwein
mit zugesetzter Kohlensäure' gekennzeichnet werden muss.
Oft gelten Schaumweine dieser Art unter Weinkennern von der Qualität
her als 'unterste Schublade'.
Apropos 'Qualität': Nicht jeder Schauwmein darf jedoch
als 'Qualitätsschaumwein' bezeichnet werden. Der Gesetzgeber
hat mit mindestens einem halben Dutzend weiterer Schaumweinqualifikationen
dafür gesorgt, dass Geniesser von Herstellern bei der Qualität
der erzeugten Schaumweine nicht irregeführt werden können.
Leider, wie so oft bei 'komplexen Vereinfachungen' versteht der
Grossteil der Geniesser nicht die (auf dem Etikett mehr oder
minder vermerketen) Hinweise.
Wie angemerkt ist Schaumwein nicht unbedingt ein Qualitätsschaumwein.
Sekt ist zwar ein Qualitätsschaumein, jedoch nicht unbedigt
ein 'Q.b.A' bzw. Qualitätsschaumwein aus einem bestimmten
Anbaugebiet (Sekt b.A.). Cava wiederum ist zwar ein Qualitätsschaumwein
bzw. ein Sekt, wird jedoch gemeinhin nicht als 'Sekt', sondern
eben als 'Cava' bezeichnet. Dann gibt auch den sogenannten 'aromatischen
Qualitätsschaumwein'. Dieser Qualitätsschaumwein darf
nur aus qualifizierten 'Bukettrebsorten' (z.B. Gewürztraminer,
Muskatsorten, Scheurebe und Huxelrebe) bereitet werden. Obwohl
bei anderen Qualitätsschaumweinen gemeinhin mindestens 3,5
bar Druck vorliegen sollen, sind beim 'aromatischen Qualitätsschaumwein'
lediglich 3 bar Druck erforderlich. Der 'aromatische Qualitätsschaumein'
ist jedoch ein Qualitätsschaumwein, welcher wiederum nicht
als Sekt bezeichnet werden darf. Es gibt auch eine Ausnahme-Regelung,
wo übliche Qualitätsschaumeine (Sekt) bei Viertelflaschen
einen Kohlensäureüberdruck von lediglich mindestens
3,0 bar statt 3,5 bar aufweisen müssen. Schaumwein wird
zudem nicht nur aus Trauben bereitet, sondern auch aus vielen
anderen Früchten. Diese Schaumweine sind jedoch 'offiziell'
nicht Schaumweine, sondern eher 'Fruchtschaumweine' bzw. die
Frucht muss angemerkt werden (z.B. 'Apfelschaumwein' ). 'Flaschengärung'
ist auch nicht gleich Flaschengärung. Es wird zwischen 'Flaschengärung'
und 'Flaschengärung nach dem traditionellen Verfahren' unterschieden.
Es ist folglich verständlich, dass viele Schaumweingeniesser,
welche einfach die Superlative unter Schaumweinen wünschen,
gleich zum Champagner greifen.
Siehe auch:
Die
Geschichte des Schaumweins
Die
Champagnerbereitung eine Kunst für sich
Champagner:
Die kostbaren Perlen
Kohlensäure
Kurzberichte:
Asti
Spumante
Cava
Cremant
Prosecco
Sekt (im Aufbau)
Winzersekt (im Aufbau)
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