La Portugaise (Crassostrea angulata)
John McCabe

Im Jahre 1868 geriet ein Handelsschiff namens Le Morlaisien auf dem Weg nach England nahe der Gironde, Frankreich, in einen mächtigen Sturm. Es war voll beladen mit Portugiesischen Austern (Crassostrea angulata), die ursprünglich aus den Gebieten Portugals in Asien stammten. Das Schiff suchte in den Küstengewässern der Gironde Zuflucht vor dem Sturm. Diese Lieferverzögerung durch die tobende See war das Todesurteil für die ca. 600.000 Austern an Bord. Ein Beamter aus Bordeaux gestattete dem Kapitän, die inzwischen ohnehin verdorben geglaubte Fracht über Bord zu kippen. Bald sollte sich jedoch zeigen, dass bei weitem nicht alle Austern tot waren. Im Gegenteil: Sie fühlten sich in dem neuen Gewässer pudelwohl und vermehrten sich rapide. Die Meeresströmung von Gironde in Richtung der klassischen Austerngegenden (wie das Marennes-Oléron-Becken) sorgte dafür, dass diese Austernart die einheimische Europäische Auster vielerorts erfolgreich verdrängte. Was anfangs als ein Fluch erschien, entpuppte sich letztlich als Segen für die Austernbauern. Diese robuste Austernart wuchs wesentlich schneller als ihre Verwandte, die Europäische Auster ("Ostrea edulis").

Bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts stellte "La Portugaise" das Rückgrat der europäischen Austernindustrie. Das französische Produktionsvolumen belief sich 1969 auf ca. 85.000 Tonnen (zusätzlich ca. 2.000 Tonnen der Europäischen Auster).
Zwischen 1966 und 1969 wurde eine große Anzahl der Portugiesischen Auster durch eine Kiemenkrankheit getötet. Die Ankunft eines weiteren Austernvirus zwischen 1970 und 1973 sorgte für die fast vollständige Ausrottung dieser Austernart in Europa. In den 70er Jahren wurde die Pazifische Auster in Frankreich eingeführt. Sie ersetzte die Portugiesische Auster erfolgreich und stellt heute das Fundament der europäischen Austernindustrie (ca. 130 - 140.000 Tonnen jährlich allein in Frankreich).

Die Portugiesische ("Crassostrea angulata") und die Pazifische Auster ("Crassostrea gigas") sind physiologisch, morphologisch und kulinarisch sehr ähnlich. Daher wurde unter Wissenschaftlern lange gestritten, ob es sich bei diesen beiden Arten grundsätzlich um dieselbe Austernart handelt oder nicht. Heutzutage findet man nur noch wirtschaftlich unbedeutende portugiesische Austernbestände in Europa, die, wenn überhaupt, als die "Überlebenden der echten Portugiesische Auster" angesehen werden könnten. Eine Konsolidierung würde nach Meinung mancher Wissenschaftler für Vereinfachung sorgen. Die laufende Studie, Pflege und Wahrung der wenigen Exemplare dieser potentiell eigenständigen Austernart wäre überflüssig. Das französische meeresbiologische Institut "IFREMER" verglich beide Austernarten auf genetischer Basis. Dies bestätigte die Vermutung, dass erhebliche Unterschiede zwischen der Portugiesischen Auster und der Pazifischen Auster bestehen. Vergleiche mit Portugiesischen Austern in Japan und Taiwan bestätigten überdies, dass die Portugiesische Auster in Frankreich eindeutig aus Asien stammt. Die Erhaltung der wenigen verbleibenden Exemplare in Europa wird zur Sicherstellung zukünftiger genetischer Untersuchungen somit als sinnvoll erachtet.

https://www.kluweronline.com/article.asp?PIPS=321774&PDF=1

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