Sushi und Wein
John McCabe |
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Jahrhunderte japanischer Esskultur belegen, dass sich Wein
und Sushi bestens ergänzen. Traditioneller Reiswein bzw.
Sake und Pflaumenwein finden sich heute in jedem japanischen
Restaurant der Welt. Eher selten steht dem Gast jedoch eine zusätzliche
Auswahl erlesener Weine der westlichen Welt zur Verfügung.
Dies ändert sich jedoch zunehmend - auch in Japan. Und das
aus gutem Grund: Bestimmte Weine der westlichen Welt können
einem Sushi-Erlebnis den kulinarischen Feinschliff verleihen.
Zudem bietet Sushi einem Weinliebhaber einen zusätzlichen
Vorteil: Sushi ist im Gegensatz zu den meisten westlichen Gerichten
weitgehend geruchlos. Während die oft verlockenden, mitunter
kräftigen Düfte vieler westlicher Gerichte die zahllosen
Rezeptoren in der Nase
den Geruchssinn bereits vor dem Genuss des Gerichtes erheblich
beschäftigen, entfalten sich die feinen Sushi-Aromen erst
im Gaumen und gleichzeitig retronasal in der Nase. Die Nase kann
sich folglich völlig unbeeinflusst und unermüdet am
feinen Bouquet eines Weines erfreuen.
Zunächst die japanischen Weine:
Reiswein (Sake bzw. Nihonshu)
Wie die Weine der westlichen Welt kann auch Reiswein auf eine
Jahrtausende alte Geschichte zurückblicken.
Sake ist farblos bis leicht gelblich mit ca. 15% Alkohol.
Obwohl es sich bei Sake im Grunde genommen lediglich um das vergärte
Produkt aus Reis und Wasser handelt, ist die Herstellung sehr
aufwändig. Es gibt im Sake-Angebot folglich erhebliche Qualitätsunterschiede.
Die Art Reis z.B., welche bei der Herstellung von gutem Sake
genutzt wird, ist nicht jene Sorte, welche dem typischen Sushi-Reis
entspricht. Wie bei Bier und Traubenwein wird auch bei der Sake-Bereitung
auf bestimmte Hefen und auf die Lagerung geachtet. Sake wird
entweder gekühlt (6-10°C), ungekühlt (Zimmertemperatur)
oder auch erwärmt (bis zu 40°C) serviert.
Besondere Reissorten fließen in die Bereitung von Sake
ein, welche im Vorfeld unterschiedlich gradiert abpoliert werden.
Als Faustregel gilt: Um so mehr das Reiskorn abpoliert wurde,
um so höher könnte die Sake-Qualität sein. Die
prozentuale Gradierung des polierten Reiskorns wird als Seimai
Buai bezeichnet und wird manchmal auch auf Sake-Flaschen
vermerkt. Ist beispielsweise auf der Flasche ein Seimai Buai
von 60% vermerkt, dann bedeutet dies, daß höchstens
60% des Reiskorns nach dem Abpolieren verblieben (bzw. mindestens
40% abpoliert wurden). Ein hoher Grad der Abpolierung bedingt
öfters auch einen höheren Preis. Ebenso gibt es unterschiedliche
Bereitungsmethoden, mit und ohne Zusätze, unterschiedliche
Lagerungsdauer und Methoden, unterschiedliche Hefen und unterschiedliche
Filtrierung. Folglich ist "Sake" kaum gleich "Sake". Es gibt mehrere
Sake-Arten. Beispiele:
Junmai bezeichnet eine pure Sake-Art. Dieser Reiswein
wird rein aus vergorener Reismaische gebraut ohne jegliche Zusätze
(z.B. keine Anreicherung mit fremdem Feinsprit). Abpolierung
im Vorfeld der Bereitung liegt bei höchstens 70% (Seimai
Buai) der ursprünglichen Größe des Reiskorns.
Junmai-Sake gilt geschmacklich als körperreich und bietet
überdurchschnittlich hohe Säure. Ein Favorit unter
vielen Sake-Liebhabern.
Honjoso bezeichnet eine Sake-Art, welcher bei der Bereitung
eine kleine Menge Feinsprit zugefügt wurde. Der Seimai
Buai liegt wie beim Honjoso bei 70%. Honjoso
ist oft etwas heller (bedingt durch den Feinsprit) als andere
Sake-Arten. Dieser Reiswein wird oft auch gerne gewärmt
genossen. Dieser Reiswein wirkt geschmacklich geschmeidig bzw.
süffig und aromatisch.
Ginjo bezeichnet eine Sake-Art, dessen Reis vor der
Bereitung 40% abpoliert wurde. Gemeinhin gilt Ginjo gegenüber
anderen Sake-Arten als etwas sanfter. Der Reis wird mit besonderen
Hefen kühl vergärt.
Daiginjo könnte als eine Erweiterung bzw. die
Superlative der Ginjo-Art gelten. Es gibt darunter zwei Varianten:
Daiginjo, welches mit Feinsprit qualifiziert bereichert
wird und Junmai-Daiginjo, welchem kein Feinsprit zugefügt
wird. Für die Bereitung müßen die Reiskörner
bis auf mindestens 50% abpoliert werden (in manchen Fällen
sogar bis hinab auf 35%). Daiginjo gilt als hocharomatisch
und körperreich. Dieser Reiswein gilt als die Superlative
japanischer Sake-Kellerkunst - und ist auch entsprechend teuer. Äußerst
beliebt unter Sake-Kennern.
Namazake bezeichnet Sake, welcher nicht pasteurisiert
wurde. Alle obig erwähnten Sake-Arten können folglich
zusätzlich Namazake sein.Viele Sake-Kenner schätzen
bei Namazake eine außergewöhnliche Frische.
Im selben Zuge ist der Namazake-Style auch leicht verdeblich
und muß gekühlt gelagert werden.
Übrigens ist der qualifizierte Zusatz von Feinsprit nicht
etwa als neuzeitliches "Spriten" oder "Strecken"
zu verstehen, sondern ist in Japan seit Jahrhunderten integral
in der sachgerechten Bereitung vieler Sake-Arten verankert.
Ähnlich wie bei manchen unserer westlichen Weine kann
auch Sake in Qualitätsstufen eingeordnet werden. "Tokkyushu"
ordnet Sake als "besondere Qualitätsstufe". "Ikkyushu"
gilt als "erstklassig". "Nikyushu"
gilt als "zweitrangig". Ebenso gibt es eher minderwertigen
Reiswein, welcher sich auch für die japanische Küche
eignet. "Mirin" muß in diesem Zusammenhang
erwähnt werden. Hierbei handelt es sich (im Gegensatz zu
dem normalerweise eher trockenen Sake)
um süßes Sake, welches von großer Bedeutung
in der japanischen Kochkunst ist. Öfters wird Mirin auch
als vorteilhafter Ersatz für Zucker beim Kochen eingesetzt.
Wie gut Sake zu Sushi passt, ist letztlich Geschmackssache.
Wem Sake allein vom Geschmack her nicht zusagt, dem wird Sake
auch in Kombination mit Sushi nicht schmecken. Ein Herr Kazuhide
Yamazaki, welcher als Sake-Autorität bei der Japan
Prestige Sake Association in New York gilt, merkte an, dass
der Sushireis-Geschmack mit dem mitunter sehr feinen Sake-Geschmack
eher ein wenig kollidiere. Seiner Meinung nach sollte Sake eher
mit Sashimi (vorwiegend rohe Fisch-Häppchen ohne
Reis) genossen werden. Manche westliche Sushi-Geniesser meinen
aber, dass Sake eben zu einem kulturell sachgerecht abgerundeten
japanischen Essen gehöre. Eine Studie aus dem Jahre 1993
belegte jedoch, dass lediglich 15% der Japaner Sake trinken,
während 72% Bier bevorzugen.
Pflaumenwein (Umeshu)
Die lieblich duftenden Blüten der Pflaumenbäume verheißen
in Japan den Beginn des Frühlings. Bereits 750 nach Christus
wurden die Blüten in einer japanischen Gedichtesammlung
erwähnt.
Die typischen, wohlschmeckenden Pflaumen Japans sind gelblich
bis rot und werden in Japan als Puramu bezeichnet. Verantwortlich
für den berühmten japanischen "Pflaumenwein"
bzw. Umeshu (ausgesprochen als "wu-meh-shoo")
sind sie überraschenderweise jedoch nicht. Einer grünen,
saueren Frucht namens "Ume" ist dieser Pflaumenwein
zu verdanken. Geschmacklich im Sinne einer typischen Frucht wirkt
sie ungenießbar. Obendrein handelt es sich nicht mal um
eine richtige Pflaume, sondern um eine Aprikosenart.
Der Zusatz "Shu" bei "Umeshu"
bedeutet in etwa "Likör". Seit über tausend
Jahren ist dieser Wein in Japan beliebt. Er wird lediglich aus
den Ume-Früchten, Zucker und einem ziemlich hochprozentigen
(25 - 40%) klaren Alkohol namens Shochu hergestellt. "Shoshu"
ist die destillierte Variante des Sake (der Begriff "Sake"
kann in Japan übrigens mehrere alkoholische Getränke
bezeichnen - nicht nur Reiswein).
Die Herstellung ist sehr einfach. Der Geschmack dieses Getränkes
kann leicht süß oder auch sauer ausgerichtet werden
. Grüne Pflaumen, mehr oder weniger Zucker und klarer Alkohol
werden in einem Gefäß verschlossen und bis zu einem
Jahr lang (manchmal auch nur wenige Monate) dunkel und kühl
gelagert. In Japan wird dieser Pflaumenwein besonders süß
bevorzugt. Japanischer Pflaumenwein wird bei japanischen Gerichten
gerne als Aperitif angeboten.
Sushi und westlicher Wein
Obwohl die Buchten Japans mit ihrer Vielfalt an Meeresfrüchten
über Jahrhunderte hinweg der japanischen Kochkunst unendlich
anmutenden Reichtum bescherten, sind sowohl Sake-Reisweine wie
auch japanischer Pflaumenwein mehr oder minder eindimensional.
Diese Weine entsprechen den natürlichen Gegebenheiten Japans
und zeigen auf beeindruckende Weise, was man gekonnt aus Reis
im alkoholischen Sinne zubereiten kann. Nicht mehr und nicht
weniger. Ein Vergleich mit der mächtigen westlichen Weinkultur
wirkt müßig. Japanische Weine sind kein Ersatz. Vielmehr
gilt es, die hervorragende japanische Kochkunst mit den Meisterwerken
westlicher Kellermeister zu vermählen, wobei die gelungene
Harmonisierung eine neue Gesamtheit des Genusses hervorbringt.
Es gibt keine Regeln, zumal Sushi und westliche Weine in den
wenigen Jahrzehnten der Koexistenz noch keine klare oder gar
klassische Verbindung aufweisen. Gewisse Trends zeichnen sich
jedoch mehr und mehr ab. Weißweine werden gegenüber
Rotweinen eindeutig bevorzugt, obwohl sich auch manche Rotweine
wunderbar eignen. Der Grund dafür könnte teilweise
darauf zurückzuführen sein, dass Sushi weitgehend von
Fisch und anderen Meeresfrüchten geprägt ist. Weißwein
ist traditionell die bevorzugte Wahl bei Fischgerichten. Hinzu
kommt der Wunsch vieler Sushi-Liebhaber, die bestechende Leichtigkeit
der Sushi-Häppchen mit einem eleganten, leichten Wein zu
ergänzen. Weißweinen wird gemeinhin viel eher Leichtigkeit
zugetraut als Rotweinen. Zunehmend scheinen sich in dieser Kategorie
frisch anmutende, fruchtige Weißweine durchzusetzen, welche
gleichzeitig großzügig mit eleganter Säure ausgestattet
sind.
Bei bestimmten Weinen herrscht unter vielen Kennern bereits
Konsens:
*Champagner
Sushi und Champagner sind inesbesondere in Künstlerkreisen
längst wohlbekannt. Jahrgangslose Champagner, Brut bis hin
zu Demi-Sec, stellen eine ideale Wahl als Wein im Zusammenhang
mit Sushi aller Art dar. Blanc
de Blancs sind ebenso empfehlenswert. Champagner hat zusätzlich
den Vorteil, dass er ohnehin als klassischer Apéritif
gilt und Sushi-Häppchen sich auch als ideale Vorspeise einen
sehr guten Ruf verdient haben. Auf den eingelegten Ingwer darf
dabei getrost verzichtet werden, da der prickelnde Champagner
dem Gaumen zwischen den Sushi-Häppchen hinreichend die gewünschte
erfrischende Abwechslung bietet.
*Riesling-Winzersekt und Riesling allgemein
Weine dieser erhabenen Rebsorte gesellen sich hervorragend zu
Sushi.
*Chardonnay-Weine
In den USA beispielsweise genießen kalifornische Chardonnay-Weine
bereits seit Jahren große Beliebtheit in mehreren renomierten
Sushi-Restaurants.
Mit dem scharfen japanischen Rettich (Wasabi) sollte
jedoch bei allen oben erwähnten Weinen sparsam umgegangen
werden. Er wirkt in diesem Fall entstellend und schmälert
den vollen Genuß der Weine. Nur Bier (ebenso ein hervorragender
Sushi-Begleiter) ist einer größeren Menge Wasabi geschmacklich
gewachsen.
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