Physikalische und physiologische Grundlagen
Ausgangspunkt für die Farbwahrnehmung sind die ihr zugrundeliegenden
physikalischen Reize: Ein Farbreiz ist diejenige elektromagnetische Strahlung,
die in das Auge gelangt und dort bestimmte Sinneszellen - die
Zapfen - erregt, so daß eine Farbempfindung entsteht. Als
proximaler Reiz wirkt dabei also die von den Rezeptoren im Auge
absorbierte Strahlungsleistung; als distaler Reiz die von einer
Lichtquelle ausgesandte Strahlung bzw. die von Körpern reflektierte
Strahlung.
Bei den Farbreizen handelt es sich genauer um elektromagnetische
Schwingungen im Bereich zwischen 380 und 780 nm, die in Form
von Photonen von unterschiedlicher Wellenlänge vorzustellen
sind. Diesen Aspekt der Strahlungsenergie, dessen sich der menschliche
Beobachter bei der visuellen Empfindung, die aus der Stimulation
der Netzhaut resultiert, bewußt wird, bezeichnet man auch
als Licht.
Aus den Prinzipien der Quantenmechanik folgt, daß die
physikalisch realisierbaren Wellenlängen diskret (und nicht
kontinuierlich) sind; dennoch ist die Anzahl aller möglichen
Wellenlängen unendlich. Ein Farbreiz kann somit als Punkt
in einem unendlich-dimensionalen Raum aufgefaßt werden,
in dem jede Achse die Intensität einer bestimmten Wellenlänge
(beispielsweise in Photonen pro Sekunde) darstellt. Da sich unendlich-dimensionale
Räume nur schwer darstellen lassen, werden Farbreize meist
durch deren spektrale Strahlungsverteilung charakterisiert: Dazu
betrachtet man, wie sich die Strahlungsleistung auf die einzelnen Regionen des Spektrums
verteilt: Bei der Untersuchung der spektralen Strahlungsverteilung
im sichtbaren Bereich wird meist nicht die
absolute Strahlungsverteilung betrachtet, sondern wichtiger ist
die relative spektrale Strahlungsverteilung . Sie errechnet sich aus der absoluten spektralen
Verteilung durch Multiplikation mit einer beliebigen Konstanten:
. Üblicherweise wird diese Konstante
C so gewählt, daß
gleich 100.0 gesetzt wird. In Abbildung 1
ist als Beispiel eine derartige Strahlungsverteilung für
das Tageslicht angegeben.

Abbildung 1: Relative
spektrale Strahlungsverteilung der Tageslichts: Diese Abbildung
zeigt die auf den Wert bei 560 nm normierte relative Strahlungsleistung
von Tageslicht mit einer ähnlichsten Farbtemperatur von
6500 K für die Wellenlängen zwischen 300 und 830 nm.
Die gezeichneten Werte wurden der Tabelle 2(1.2.1) von Wyszecki
und Stiles (1982, S. 8 f.) entnommen.
Diese physikalischen Reize werden auf der Retina des Auges von
speziellen Rezeptoren absorbiert, wobei sie eine chemische Reaktion
hervorrufen, die im Zerfall von verschiedenen Arten von Sehpurpur
besteht. Diese chemische Reaktion wird wiederum in eine Nervenerregung
umgesetzt. Hierbei wird jedoch nur Strahlung im Wellenlängenbereich
von 380 bis 780 nm, dem sogenannten sichtbaren Spektrum,
absorbiert. Allerdings bleibt durch diesen Prozeß nicht
die gesamte Information über die Intensitäten für
alle Wellenlängen erhalten, sondern es werden von vier verschiedenen
Systemen unterschiedlich gewichtete Summen der Intensitäten
bei den verschiedenen Wellenlängen gebildet.
Man unterscheidet bei den Rezeptorarten zwischen den extrafoveal
gelegenen Stäbchen und den vor allem auf der fovea centralis
angesiedelten Zapfen, von denen drei verschiedene Typen existieren,
die aufgrund ihrer unterschiedlichen Farbpigmente auf bestimmte
Teile des Spektrums verschieden reagieren. In Abbildung 2 sind die entsprechenden spektralen Empfindlichkeiten
der drei Zapfentypen L, M und S dargestellt:
Für das L-System (für long-wavelength sensitivity
cones) liegt das Empfindlichkeitsmaximum bei 590 nm, also
im roten Bereich, bei dem M-System (für middle-wavelength
sensitivity cones) bei etwa 540 nm (grün) und für
das S-System (für short-wavelength sensitivity
cones) ungefähr bei 440 nm (blau); das Verhältnis
der Anzahlen der Rezeptortypen beträgt 40:20:1 für
L:M:S, wobei die Rezeptoren vom Typ S
nicht in der Mitte der fovea centralis vertreten sind und insgesamt
die Rezeptordichte in eben dieser Mitte besonders hoch ist.

Abbildung 2: Relative
spektrale Empfindlichkeiten der Zapfentypen: Hier sind die
logarithmierten relativen spektralen Empfindlichkeiten nach Smith
und Pokorny (1975) für die L-, M- und S-Zapfen
dargestellt. Sie dienen als Schätzung der Absorptionsfunktion
der jeweiligen Zapfentypen; dabei wird allerdings der Einfluß
des Augenmediums nicht berücksichtigt.
Bei Betrachtung von Abbildung 2 fällt auf, daß
sich die spektralen Empfindlichkeiten aller drei auch als Farbkanäle
bezeichneten sensorischen Systeme bei jeder Wellenlänge
überschneiden. Dies bedeutet, daß beliebige Spektren
immer alle drei Systeme - wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß
- aktivieren; v. Helmholtz (1867, S. 291) postuliert bereits
ähnlich spektrale Empfindlichkeiten wie in Abbildung 2
angegeben und folgert: ``Indessen ist dabei nicht ausgeschlossen,
muss vielmehr zur Erklärung einer Reihe von Erscheinungen
angenommen werden, dass jede Spectralfarbe alle Arten von Fasern
erregt, aber die einen schwach die anderen stark.''
Die unterschiedliche Empfindlichkeit des Stäbchen-Mechanismus
für Reize unterschiedlicher Wellenlänge ist den spektralen
Hellempfindlichkeitskurven für das Tagessehen (nach Vos,
1978) und das Nachtsehen (nach CIE, 1951) zu entnehmen, die in
Abbildung 3 zu sehen sind. Diese spektralen Hellempfindlichkeitskurven
beschreiben die Empfindlichkeit für monochromatische Reize.
Als monochromatisch kann man Reize bezeichnen, deren
Wellenlängenspektrum nicht mehr als 5 nm Bandbreite beträgt.
Dies kann beispielsweise dadurch realisiert werden, daß
aus einem Licht alle Frequenzen außer einem schmalen Band
herausgefiltert werden.

Abbildung 3: Die
spektralen Hellempfindlichkeitsfunktionen für das Tages-
und das Nachtsehen: Hier sind in logarithmischer Darstellung
die auf 1 normierten spektralen Hellempfindlichkeitskurven dargestellt.
Die Kurve für das Tagessehen (``photopisch''), auch als
bezeichnet, basiert auf der von Vos (1978)
modifizierten CIE 1932-Kurve, die die Daten von Brindley (1955)
für den infraroten Bereich berücksichtigt; die Kurve
für
das Nachtsehen (``skotopisch'') wurde von der CIE (1951) als
Standard akzeptiert und beruht auf von Crawford (1949) erhobenen
Messungen an 50 Versuchspersonen.
Yilmaz (1962) weist darauf hin, daß das menschliche Auge
nicht für alle Wellenlängen gleich empfindlich sein
muß: Extrem kurze Wellenlängen (wie Röntgenstrahlen)
enthalten wenig Information, da sie in unserer natürlichen
Umwelt selten sind und kaum mit Gewebe interagieren. Auch extrem
langwellige Strahlung ist selten; außerdem läßt
das Auflösungsvermögen eines Sensors nach, wenn die
Wellenlänge zunimmt. Aus diesen Gründen entwickelte
sich ein mittlerer Wellenlängenbereich für das sog.
sichtbare Spektrum. Außerdem fällt das sichtbare
Spektrum nahe an das Energiemaximum von Tageslicht.
Ausführlichere Darstellungen der physiologischen Grundlagen
des Farbensehens sind beispielsweise bei Brindley (1970), Pugh
(1988), Wandell (1995) oder Kaiser und Bonton (1996) zu finden.
Hier liegt das Interesse jedoch nicht auf den physiologischen
Mechanismen, sondern auf den psychologischen: Forschungsgegenstand
ist die subjektive Wahrnehmung der elektromagnetischen Schwingungen
im sichtbaren Bereich; die dadurch ausgelöste Empfindung
nennt man Farbe.
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