Farbunterschiede
Will man beispielsweise die Auswirkung der gerade beschriebenen
Effekte oder verschiedener experimenteller Methoden untersuchen,
ist es oft interessant, die Unterschiede zwischen Farben unter
verschiedenen Bedingungen zu betrachten. Deshalb sollen nun verschiedene
Maße für Farbdifferenzen vorgestellt werden sowie
Befunde zur Unterscheidbarkeit von Farben aufgrund von Variationen
in Farbton, Sättigung und Helligkeit.
Farbdifferenzen lassen sich auf verschiedene Arten bestimmen.
Eine einfache und häufig praktizierte Möglichkeit besteht
darin, die euklidische Distanz im Raum der xyL-Koordinaten
der zu vergleichenden Farben zu berechnen. Lucassen und Walraven
(1993) berechnen die durchschnittliche Streuung von n durch ihre xyL-Koordinaten
bezeichneten Farben beispielsweise folgendermaßen:

wobei bwz. die Abweichung einer einzelnen Farbe in
der x- bzw. y-Richtung von der Ausgangsfarbe bezeichnet.
Unter der zuvor beschriebenen Annahme, daß der Farbwahrnehmung
drei physiologische Kanäle zugrunde liegen, deren Output
linear mit den Normfarbwerten der entsprechenden Farbe zusammenhängt,
erscheint es jedoch sinnvoller, das Abstandsmaß zweier
Farben aus deren Normfarbwerten (X,Y,Z)
zu errechnen. Die euklidischen Distanz zwischen den -Koordinaten zweier Farben lautet:

wobei die Differenz
der X-Koordinaten der beiden Farben bezeichnet, die Differenz der Y-Koordinaten und
die Differenz
der Z-Koordinaten. Dieses Vorgehen wird beispielsweise
angewandt, um die Vorhersage durch ein bestimmtes Modell mit
den empirisch gewonnenen Einstellungen zu vergleichen.
Die Anwendung dieser Formel ist jedoch nicht unproblematisch,
weil der -Raum nicht
längentreu ist, d.h. der Abstand zweier Farben im -Raum entspricht nicht dem wahrgenommenen
Unterschied zwischen ihnen (oder anders formuliert: Gleiche Abstände
im -Raum bedeuten
nicht, daß der wahrgenommene Unterschied zwischen den dadurch
repräsentierten Farben gleich ist). In Gleichung(8
werden aber alle Distanzen gleich gewichtet; es wird also Längentreue
vorausgesetzt.
Indow (1988) zeigt, daß für geringe Unterschiede
(die nicht deutlich über einem ebenmerklichem Unterschied
liegen) zwischen Farben die Verwendung der folgenden Metrik,
die auf Nickerson (1936) zurückgeht, unkritisch ist:

Diesem Abstandsmaß liegt eine Repräsentation der zu
vergleichenden Farben i und j durch ihre Munsell-Neuwerte
Buntheit C (chroma), Buntton H (hue)
und Helligkeitswert V (value) zugrunde; dazu
müssen diese Werte aber erst bestimmt werden, was nur bei
Verwendung von Proben aus dem Munsell Book of Color
problemlos gelingt.
Ein allgemeineres, auch für größere Farbunterschiede
geeignetes und weit verbreitetes Maß (siehe z.B. Wyszecki & Stiles, 1982)
für den Gesamtunterschied zweier Farben basiert auf dem
CIE 1976 -Raum, der
annähernd gleichabständig aufgebaut ist:

wobei das Symbol
den Unterschied der beiden zu vergleichenden Farben in der jeweiligen
Dimension bezeichnet; die Berechnung von ,
und wurde bereits
in den Gleichungen 3 bis 5 beschrieben. Diese Formel, auch
als CIE-1976- -Farbunterschiedsformel
(color-difference formula) bezeichnet, gilt allerdings
nur für bestimmte standardisierte Beobachtungsbedingungen.
Deshalb wurde diese Formel noch weiter verbessert (siehe Alman,
1993) und daraus die sogenannten CIE -Gleichungen (CIE, 1995) entwickelt,
bei denen insbesondere die Gleichabständigkeit noch besser
gewährleistet ist und verschiedene Parameter an die jeweilige
Reizkonfiguration angepaßt werden können:

Hierbei berechnet sich
als Differenz der beiden nach Gleichung 7 berechneten Helligkeitswerte
der zu vergleichenden
Farben; ist die Differenz
der beiden Farbigkeitswerte ,
die nach Gleichung 6 berechnet wird; berechnet sich folgendermaßen (für
kleine Farbdifferenzen)

aus den beiden Farbtonwerte
nach Gleichung 7. Für
kann man das geometrische Mittel der beiden -Werte einsetzen. Die Parameter und
schließlich ermöglichen die Korrektur des Einflusses
von Störvariablen auf den Farbunterschied, die sich aufgrund
des experimentellen Aufbaus ergeben können. Dabei handelt
es sich um Variablen wie Reizgröße, Struktur der Reizoberfläche
oder räumliche Anordnung der zu vergleichenden Reize. Unter
den Referenzbedingungen werden diese drei Werte gleich Eins gesetzt;
folgende Standard-Bedingungen wurden von der CIE (1995) dazu
festgesetzt:
- Beleuchtung durch die Lichtart D
;
- Beleuchtungsstärke 1000 lux;
- Beobachter farbnormalsichtig;
- Beobachtungsart Objekt;
- Reizgröße mehr als
Sehwinkel;
- Reizverteilung bei minimalem Abstand und direkt
aneinandergrenzenden Begrenzungskanten;
- Größe der Farbunterschiede zwischen 0
und 5 CIE-
-Einheiten;
- Reizstruktur homogen.
Unterschiede
im Farbton
Die Unterschiedsschwelle für Farben ist abhängig
von der jeweiligen Farbe; dies läßt sich auch für
monochromatische Reize demonstrieren: Bietet man einer Versuchsperson
in einem zweigeteiltem Feld auf der einen Seite einen monochromatischen
Reiz fester Wellenlänge dar und auf der anderen Seite einen
monochromatischen Reiz ähnlicher, aber variabler Wellenlänge,
dann kann man ihre Unterschiedsschwelle für Wellenlängendifferenzen
bestimmen. Wichtig ist bei der Durchführung derartiger Experimente,
daß sich die beiden zu vergleichenden Reize nur hinsichtlich
ihres Wellenlängenmaximums unterscheiden, nicht jedoch in
ihrer Helligkeit (die ja - wie man am Verlauf der spektralen
Hellempfindlichkeitskurve
erkannen kann - mit der Wellenlänge ebenfalls variiert).
Eine derartige Untersuchung wird beispielsweise von Bedford
und Wyszecki (1958) beschrieben: Sie überprüfen, welche
Wellenlängendifferenz bei einem monochromatischen Reiz gerade
noch wahrgenommen wird, wenn in einem zweigeteiltem Feld ein
Standardreiz der Wellenlänge
und ein Vergleichsreiz der Wellenlänge dargeboten werden. Die Autoren finden keinen
systematischen Unterschied bezüglich der Richtung (ob es
sich um einen Vergleichsreiz höherer oder niedrigerer Wellenlänge
handelt). Sie stellen aber fest, daß die Schwelle für
Farbunterschiede von der Wellenlänge des Vergleichsreizes
abhängt: Es treten große Unterschiede im sichtbaren
Bereich auf. In Abbildung 11
sind die Unterschiedsschwellen für den Bereich zwischen
420 und 660 nm eingezeichnet; in den Randbereichen des sichtbaren
Spektrums steigt diese Unterschiedsschwelle noch deutlich an.
Außerdem können Bedford und Wyszecki (1958) zeigen,
daß die Unterschiedsschwellen für Reize hoher Intensität
niedriger liegen und daß sie mit zunehmender Reizgröße
ebenfalls abnehmen.

Abbildung:
Unterschiedsschwelle für Spektralfarben: In dieser
Abbildung ist die Schwelle für Farbunterschiede der Versuchsperson
GW von Bedford und Wyszecki (1958) eingezeichnet; die Autoren
ermitteln die Werte als arithmetisches Mittel der Unterschiedsschwelle
für Vergleichsreize höherer und niedrigerer Wellenlänge.
In dieser Abbildung sind die Unterschiedsschwellen für verschiedene
Reizgrößen (1 ,
12' und 1.5') eingezeichnet; die Werte wurden aus der Abbildung 5
von Bedford und Wyszecki (1958, S. 134) abgelesen.
Im Bereich der niedrigsten Unterschiedsschwelle bei ca. 590
nm lassen sich unter geeigneten Bedingungen monochromatische
Reize, deren Wellenlängenmaximum nur 0.2 nm auseinanderliegt,
unterscheiden, wie LeGrand referiert:
The minimum value of
is of the order of 1 m
by the method of limits, when the diameter of the photometric
field is 2 . By the method
of mean error or by the method of constant stimuli a value of
less than 0.2 m
can sometimes be obtained... Further, these values apply only
for sufficiently high values of retinal illumination, of the
order of 100 trolands, and are doubled when it falls to 1 troland. (LeGrand, 1968, S. 284)
Unterschiede
in der Sättigung
Auch für Unterschiede in der Sättigung von Farben
zeigen sich Abhängigkeiten von der Farbe bzw. von deren
bunttongleicher Wellenlänge. Um dies zu illustrieren, muß
zuerst der Begriff des Sättigungsgrades (colorimetric
purity) p eingeführt werden als

wobei die Leuchtdichte
eines monochromtischen Reizes bezeichnet, der additiv gemischt
mit einem neutralen Reiz der Leuchtdichte farbgleich ist zu der hinsichtlich des Sättigungsgrades
zu beurteilenden Farbe. Die neutrale Farbe (Weiß) besitzt
demnach einen Sättigungsgrad von 0, ein maximimal gesättigter
(monochromatischer) Reiz einen Sättigungsgrad von 1.
Priest und Brickwedde (1938) untersuchen, welcher Sättigungsgrad
zu einem ebenmerklichem Unterschied zum Weißpunkt führt:
In einer Hälfte eines 4
großen quadratischen zweigeteilten Feldes wird ein weißer
Standardreiz (sog. Abbot-Priest sunlight) präsentiert
und in der anderen Hälfte ein Vergleichreiz, der aus einer
additiven Mischung aus dem Standardreiz und einem monochromatischen
Reiz der Wellenlänge
in variablem Verhältnis besteht. Bei konstanter Gesamtleuchtdichte
wird dann der Anteil des monochromatischen Reizes so lange erhöht,
bis die Versuchsperson beim Erreichen des Wertes den Unterschied zum neutralen Reiz sicher
wahrnehmen kann. Anschließend wird der Anteil des monochromatischen
Lichts wieder so lange verringert, bis die Versuchsperson beim
Erreichen des Wertes
sicher keinen Unterschied zum neutralen Reiz mehr wahrnehmen
kann. Für denjenigen Anteil p des monochromatischen
Reizes, der zu einem wahrnehmbaren Unterschied führt, wird
der Mittelwert aus
und gebildet.
Priest und Brickwedde (1938) kommen zu dem Ergebnis (siehe
Abbildung 12), daß auch die ebenmerklichen Unterschiede
für den Sättigungsgrad systematisch von der Wellenlänge
des verwendeten Spektralreizes abhängen:
Für Reize, deren bunttongleiche Wellenlänge aus den
Randbereichen des sichtbaren Spektrums stammt, liegt die Unterschiedsschwelle
relativ niedrig; sie ist dagegen für aus der Mitte des sichtbaren
Bereichs stammende Reize relativ hoch (ihr Maximum liegt etwa
bei 570 nm).

Abbildung: Unterschiedsschwelle
für den Sättigungsgrad: In dieser Abbildung ist
die Unterschiedsschwelle für den Sättigungsgrad der
Versuchsperson IGP von Priest und Brickwedde (1938) zu sehen.
Die zugrundeliegenden Meßwerte sind der Tabelle I
von Priest und Brickwedde (1938, S. 136) entnommen.
Daß sich auch monochromatische Reize in ihrer Sättigung
unterscheiden können, zeigt folgende Überlegung: Interpretiert
man den Kehrwert
des Sättigungsgrades als ein Maß für die Sättigung
selbst, dann kann man folgern, daß die Sättigung im
blauen Bereich des Spektrums maximal ist, ein Minimum bei Gelb
hat und bei Rot wieder auf ein mittleres Niveau zunimmt. Wright
und Pitt (1937) stellen ihre Befunde zur Unterschiedsschwelle
beim Hinzumischen monochromatischer Strahlung zu einem Standardlicht
B mit der Farbtemperatur 4800 K auf diese Weise in Form
von Sättigungs-Diskriminations-Funktionen dar; Beispiele
dafür sind in Abbildung 13 zu sehen.

Abbildung: Unterschiedsschwelle
für den Sättigungsgrad: In dieser Abbildung ist
die Sättigungsdiskriminationsfunktion der Versuchspersonen
FHGP und WDW von Wright und Pitt (1937) zu sehen. Auf der Ordinate
ist der Logarithmus der Sättigungsunterschiedsschwelle,
also , für
einen ebenmerklichen Unterschied zum Weißpunkt abgetragen.
Die zugrundeliegenden Werte sind der Tabelle I von Wright
und Pitt (1937, S. 331) entnommen.
Betrachtet man umgekehrt, wie viel achromatisches Licht zu
einem monochromatischem Reiz bestimmter Wellenlänge hinzugemischt
werden muß, damit ein sichtbarer Unterschied zu einem rein
monochromatischem Reiz gleicher Wellenlänge und Leuchtdichte
auftritt, so zeigt sich, daß die Unterschiedsschwelle in
dieser Richtung relativ konstant ist: Für alle Wellenlängen
ist ein Sättigungsgrad von 0.98 ebenmerklich von den Spektralfarben
unterscheidbar (siehe Wright & Pitt, 1935).
Der von Wright und Pitt (1937) und von Priest und Brickwedde
(1938) gefundene Zusammenhang zwischen Sättigung und (bunttongleicher)
Wellenlänge wird auch durch die Befunde von Jones und Lowry
(1926) nahegelegt: Sie bestimmen die Anzahl ebenmerklicher Unterschiede
im Sättigungsgrad zwischen einem Weiß mit einer Farbtemperatur
von 5200 K und acht verschiedenen Spektralreizen; die Anzahl
variiert zwischen 23 Schritten bei einer Wellenlänge von
440, 640 oder 680 nm und 16 Schritten bei 575 nm. Zu ähnlichen
Ergebnissen kommen auch Martin, Warburton und Morgan (1933),
bei denen die minimale Anzahl an Unterscheidbarkeits-Schritten
bei 570 nm liegt, während an den Enden des sichtbaren Spektrums
drei mal so hohe Werte gefunden werden.
Aus den genannten Untersuchungen kann man die Folgerung ziehen,
daß zwischen den Spektralfarben Unterschiede in deren Sättigung
bestehen.
Unterschiede
in der Helligkeit
Besonders empfindlich ist das visuelle System für Unterschiede
in der Helligkeit eines Reizes. Der gerade eben wahrnehmbare
Leuchtdichteunterschied hängt vom Ausgangsniveau der Leuchtdichte
ab. In Abbildung 14 ist die Empfindlichkeit für Leuchtdichteunterschiede
in Abängigkeit vom Ausgangsniveau zu sehen, wie sie von
Lowry (1931) als Mittelwert der Einstellungen von sechs Versuchspersonen,
die Test- und Vergleichsreiz in einem 3 großem runden zweigeteilten Feld dargeboten
bekommen, angegeben wird.

Abbildung: Unterschiedsschwelle
für Leuchtdichte: In dieser Abbildung ist der Weber-Bruch
für
Leuchtdichteunterschiede für verschiedene Leuchtdichteniveaus
zu sehen, wobei die Abszisse logaritmisch dargestellt ist. Die
Daten wurden der Tabelle 1 Lowry (1931, S. 133) entnommen
und von Millilambert in
umgerechnet.
Die minimale Unterschiedsschwelle und somit die maximale Empfindlichkeit
für Leuchtdichteunterschiede liegt zwischen 80 und 300 . Bei Leuchtdichten über 100 trifft hierbei das Webersche Gesetz annähernd
zu: Es besteht ein konstanter Zusammenhang zwischen dem Zuwachs
an Leuchtdichte ,
der für einen wahrnehmbaren Unterschied erforderlich ist,
und dem Ausgangsniveau der Leuchtdichte L; für diese
Leuchtdichten liegt der Weber-Bruch
bei etwa 0.01; es sind also Veränderungen der Leuchtdichte
um etwa 1% wahrnehmbar.
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