Farbe
Farbe als Sinnesempfindung ist in der DIN-Norm 5033
folgendermaßen definiert:
Farbe ist diejenige Gesichtsempfindung eines dem Auge
strukturlos erscheinenden Teiles des Gesichtsfeldes, durch die
sich dieser Teil bei einäugiger Beobachtung mit unbewegtem
Auge von einem gleichzeitig gesehenen, ebenfalls strukturlosen
angrenzenden Bezirk allein unterscheiden kann. (DIN 5033, Blatt
1)
Richter (1981) nennt drei unterschiedliche Arten von Farben:
Selbstleuchtende Farben, Körperfarben und Durchsichtfarben.
Der Farbreiz kommt bei selbstleuchtenden Farben dadurch
zustande, daß das Licht von einer Strahlungsquelle direkt
oder durch Filter in das Auge gelangt. Bei den Körperfarben
kommt der Farbreiz dagegen dadurch zustande, daß das Licht
an der Oberfläche eines Körpers/Gegenstandes reflektiert
wird: Die von beleuchteten Körpern zurückgestrahlte
Lichtmenge ist proportional zur Intensität der Beleuchtung;
man nennt den Proportionalitätsfaktor Reflektanz.
Die Reflektanz variiert mit der Wellenlänge, so daß
verschiedene Bereiche des Spektrums unterschiedlich stark reflektiert
werden und so dem jeweiligen Gegenstand seine charakteristische
``Farbe'' verliehen wird. Der spektrale Remissionsgrad
(oder auch spektraler Leuchtdichte-Faktor oder spektraler
Strahldichte-Faktor)
einer Körperoberfläche bezeichnet deren spektrale Änderungsfunktion,
d.h. wie sich das Spektrum des auftreffenden Lichts zu dem des
reflektierten Lichts verhält. Der Farbreiz, der von einem
nicht selbstleuchtendem Objekt ausgeht, ist also einerseits von
der betreffenden Lichtquelle (mit der spektralen Strahlungsverteilung
), andererseits von der Remissionseigenschaft
des Körpers bestimmt:

Bei Experimenten zur Farbwahrnehmung unterschiedet man außerdem
zwischen bezogenen und unbezogenen Farben von Flächen oder
Objekten: Unbezogene Farben (unrelated colors)
sind solche, die isoliert von anderen Farben wahrgenommen werden,
während bezogene Farben (related colors)
in bezug zu anderen Farben wahrgenommen werden. Bei Körperfarben
handelt es sich immer um bezogene.
Schließlich kann man noch eine dritte Kategorie an Farben
unterscheiden, die Durchsichtfarben: Bei klar durchsichtigen
(nicht streuenden) Schichten tritt an die Stelle des Remissionsgrades
der Begriff des spektralen Transmissionsgrades . Im Prinzip handelt es sich dabei um durchsichtige
Filter, die einen Teil des Spektrums entfernen bzw. in dessen
Intensität verringern.
Die Farbempfindung, die von bestimmten Objekten unserer Umgebung
ausgelöst wird, hängt also von verschiedenen Faktoren
ab, von denen die wichtigsten nun genannt werden:
- Spektrum der Beleuchtung: Es macht einen Unterschied,
ob es sich beispielsweise um Beleuchtung durch blauen Himmel,
durch bewölkten Himmel oder durch Kunstlicht handelt (siehe
Fuchs, 1992).
- Reflektanz des betrachteten Objekts bzw. dessen spektrale
Remissionsfunktion
.
- Zusammensetzung des (räumlichen) Kontextes des
Objektes: Die farbliche Umgebung eines Objekts bestimmt dessen
wahrgenommene Farbe; eine prominente Theorie hierzu ist beispielsweise
die Normierung mit Durchschnitt (grauer Durchschnitt)
(siehe beispielsweise D'Zmura & Lennie, 1986, oder Dannemiller,
1989): Der Durchschnitt aller Reflektanzen ist in jeder natürlichen
Szene für jede Wellenlänge gleich (daher die Bezeichnung
``grauer Durchschnitt''; sie bezieht sich auf die Reflektanzen,
die von der Beleuchtung unabhängig sind) und wird als farblos
wahrgenommen.
- Adaptationszustand des (betrachtenden) Auges: Nicht
nur der räumliche Kontext, sondern auch der zeitliche spielt
eine Rolle: Hier sind Hell- bzw. Dunkeladaptation und Adaptation
an eine bestimmte Farbe zu nennen.
Ein wichtiges Ziel der Farbwahrnehmung besteht in der Farbkonstanz
als Teil der Objekterkennung: Die Reflektanz einer Oberfläche
hängt nur vom jeweiligen Objekt ab, nicht von dessen Beleuchtung.
Eine Identifizierung des Objekts wäre deshalb mittels einer
Schätzung der Reflektanz von dessen Oberfläche möglich.
Das vom Objekt reflektierte Licht ergibt sich durch Multiplikation
der Reflektanz mit dem Beleuchtungsspektrum; umgekehrt kann so
auch auf die Reflektanz geschlossen werden, wenn das Beleuchtungsspektrum
bekannt (bzw. aus der farblichen Zusammensetzung der Umgebung
geschätzt werden kann).
Charakterisierung
von Farben
Bisher sollte gezeigt werden, daß die Unterscheidung
zwischen dem physikalischen Reiz und der Wahrnehmung dessen von
großer Bedeutung ist: Der Reiz läßt sich eindeutig
durch sein Spektrum beschreiben. Bei der Wahrnehmung handelt
es sich dagegen um die dadurch bei dem Beobachter hervorgerufene
Empfindung. Die Empfindung ist dabei nicht direkt proportional
zur Intensität des Reizes und läßt sich durch
die Angabe von nur drei Kennwerten charakterisieren: Diesen Unterschied
zwischen den Reizen und den Empfindungen erkannte bereits Maxwell:
... I would observe that the important part of the theory
is not that three elements enter into our sensation of color,
but that there are only three. Optically, there are as many elements
in the composition of a ray of light as there are different kinds
of light in its spectrum. (Maxwell, 1856/1970, S. 64):
Dieser auch als Trichromatizität des Farbensehens
bezeichnete Sachverhalt zeigt sich auch im ersten Graßmannschen
Gesetz ).
Die in Abbildung 4 gezeigten Farbwertkurven
geben beispielsweise an, welche Anteile dreier Primärfarben
bei deren Mischung notwendig sind, um eine Farbgleichheit zu
einem bestimmten monochromatischen Reiz zu erzielen. Ausgangspunkt
für die Erstellung der Farbwertkurven sind die drei monochromatischen
Primärreize ,
und ;
ihre Strahldichte (radiance) steht dabei im Verhältnis
von 72.1 : 1.4 : 1.0 zueinander (bei diesem Mischungsverhältnis
läßt sich ein Match mit einem energiegleichen Spektrum
(equal energy stimulus), bei dem alle Wellenlängen
zwischen 380 und 770 nm gleich stark vertreten sind und der unter
normalen Bedingungen als Weiß empfunden wird, erzielen).

Abbildung 4:
Die Spektralwerte für monochromatische Reize: In
dieser Abbildung sind die relativen Intensitäten der Farben
``rot'' (700 nm), ``gruen'' (546.1 nm) und ``blau'' (435.8 nm)
angegeben (bei einem Verhältnis der Strahlungsintensitäten
von 72.10 : 1.38 : 1.0), deren Mischung farbgleich zu einem monochromatischen
Reiz der angegebenen Wellenlänge ist. Diese Daten beruhen
auf den Messungen an 10 Beobachtern bei einer Reizdarbietung
in einem Sehwinkel von 2
von Stiles und Burch (1959).
Nun wird versucht, durch eine eigentliche oder uneigentliche
Mischung dieser Primärfarben (deren Intensitäten entsprechend
abgeschwächt werden können) einen Farbabgleich zu einem
monochromatischen Reiz der Wellenlänge zu erstellen. Dazu wird ein zweigeteiltes
Sehfeld (bipartite visual field) von Sehwinkel verwendet, wie es in Abbildung 5
gezeigt ist; dieses experimentelle Vorgehen beruht auf der Tatsache,
daß völlig verschiedene Reize (Spektren elektromagnetischer
Schwingungen im sichtbaren Bereich) zu den selben subjektiven
Farbeindrücken führen können. Aus den einzelnen
Intensitäten der drei zu mischenden Primärfarben erhält
man die neuen sogenanten Spektralwerte .
Variiert man nun
über den sichtbaren Wellenlängenbereich für feste
Primärfarben, so erhält man die gesuchten spektralen
Farbwertkurven
für konstante Strahldichte. Sie geben für jede Wellenlänge
die Koeffizienten an, mit denen die Intensitäten
der drei Primärfarben multipliziert werden müssen,
um einen Match mit einem monochromatischen Reiz dieser Wellenlänge
zu erzielen (oft - genau genommen fast immer - treten auch negative
Koeffizienten auf).
Bereits Maxwell (1956) weist darauf hin, daß bei der
additiven Farbmischung die Wahl der Primärfarben weitgehend
beliebig ist, so daß ``any other three colors might have
been choden, provided that white resulted from their combination
in proper proportions'' (Maxwell, 1856/1970, S. 64). Einzige
Voraussetzung ist lineare Unabhängigkeit der Primärreize,
was praktisch bedeutet, daß sich keiner der Primärreize
aus den beiden anderen ermischen lassen darf. Monochromatische
Primärreize sind allerdings zu bevorzugen, da sich bei diesen
die Koeffizienten für den Wechsel von einem Tripel an Primärfarben
zu einem anderen besonders leicht berechnen lassen.

Abbildung 5:
Die Reizpräsentation bei einem Farbabgleichs-Experiment:
Die äußere rechteckige Umrandung stellt beispielsweise
die Grenzen der gesamten Präsentationsfläche dar, z.B.
der Bildröhre eines Computermonitors. Der äußere
Kreis zeigt den Kontext, vor dem der Zielreiz präsentiert
wird; er erscheint üblicherweise unter einem Sehwinkel von
etwa 10 . Im inneren
zweigeteilten meist etwa 2
großen Kreis (bipartite visual field) sind die
beiden Felder zu sehen, die gleich aussehen sollen, d.h. deren
Trennungslinie nicht wahrnehmbar sein soll. Eine der beiden Hälften
(Standardreiz) wird vorgegeben, in der anderen Hälfte
(Vergleichsreiz) soll die Versuchsperson durch Variieren
der Intensitäten von vorgegebenen Primärfarben eine
gleich aussehenden Farbe ermischen.
Dimensionen
der Farbwahrnehmung
Zur eindeutigen Beschreibung von isoliert bzw. unter konstanten
Bedingungen dargebotenen Farben genügen drei Kennwerte,
z.B. die Ausprägungen auf den unten dargestellten absoluten
Dimensionen Helligkeit, Farbton und Sättigung.
Man kann die Attribute der Farben aber auch relativ zu dem Umfeld
beschreiben, in dem sie dargeboten werden. Folgende Attribute,
deren hier dargestellte Definition nach Wyszecki und Stiles (1982,
S. 487) sich auch im ``offiziellen'' International Lighting
Vocabulary (CIE, 1987) wiederfindet, werden allgemein zur
Charakterisierung von Farben verwendet:
- Helligkeit
- (brightness): Helligkeit ist dasjenige Attribut
einer visuellen Wahrnehmung, aufgrund dessen ein visueller Reiz
mehr oder weniger intensiv erscheint bzw. aufgrund dessen die
Fläche, in der der Reiz dargeboten wird, mehr oder weniger
Licht abzustrahlen scheint. Die Variationen der Helligkeit reichen
von ``hell'' bis ``dunkel''.
Die Helligkeit läßt sich sowohl für Reize
bestimmen, die innerhalb eines Kontextes dargeboten werden, als
auch für isoliert (also vor dunklem Hintergrund) dargebotene
Reize.
- Relative Helligkeit
- (lightness): Die relative Helligkeit (oder der Helligkeitskontrast)
ist dasjenige Attribut einer visuellen Wahrnehmung, aufgrund
dessen die Fläche, auf der der Reiz präsentiert wird,
mehr oder weniger Licht abzustrahlen scheint im Vergleich zu
einer ähnlich beleuchteten ``weißen'' Referenzfläche.

Dieses Farbattribut kann aufgrund seiner Definition nur sinnvoll
für Farben beurteilt werden, die vor einem Hintergrund dargeboten
werden; es findet gewissermaßen eine Normierung bezüglich
der Beleuchtung und der Beobachtungsbedingungen statt.
- Farbton
- (hue): Der Farbton ist dasjenige Attribut einer
Farbwahrnehmung, das durch Bezeichnungen wie ``rot'', ``grün'',
``violett'', ``gelb'' usw. bezeichnet wird.
- Farbigkeit
- (colorfulness oder auch chromaticness):
Farbigkeit bezeichnet das Attribut einer visuellen Wahrnehmung,
nach dem eine entsprechende Fläche mehr oder weniger farbig
empfunden wird; sie beschreibt also die Intensität des jeweiligen
Farbtons.
Eine Erhöhung der Leuchtdichte eines Reizes mit konstanten
Farbwerten (siehe unten) führt dazu, daß auch dessen
Farbigkeit ansteigt (außer bei bereits sehr hoher Helligkeit).
- Buntheit
- (chroma): Buntheit ist dasjenige Attribut einer
visuellen Wahrnehmung, das ein Urteil darüber ermöglicht,
wie stark sich ein farbiger Reiz von einem achromatischen Reiz
der selben Helligkeit unterscheidet; es handelt sich gewissermaßen
um die relative Farbigkeit:

Zur Beurteilung dieses Farbattributs muß der Reiz vor einem
Kontext dargeboten werden. Die Buntheit eines Farbreizes verändert
sich kaum (außer bei sehr hoher Helligkeit) bei einer Erhöhung
der Leuchtdichte der gesamten visuellen Reizgrundlage (also sowohl
des Reizes als auch des Kontextes);
- Sättigung
- (saturation): Sättigung ist dasjenige Attribut
einer visuellen Wahrnehmung, das ein Urteil darüber ermöglicht,
wie stark sich ein farbiger Reiz von einem achromatischen Reiz
unabhängig von dessen Helligkeit unterscheidet. Es beschreibt
also die Farbigkeit einer Fläche in Bezug zu deren Helligkeit.
Das dazu komplementäre Attribut wird von Hering (1920) als
Weißverhüllung bezeichnet.
Unter normalen photopischen Beobachtungsbedingungen ist die
Sättigung eines Reizes mit gegebenen Farbwerten unter beinahe
allen Leuchtdichte-Niveaus konstant (außer bei sehr hoher
Helligkeit). Hier geht es um die Farbigkeit eines Reizes im Verhältnis
zu dessen eigener Helligkeit; bei der Buntheit geht es dagegen
um die Farbigkeit im Verhältnis zu einer genauso beleuchteten
``weißen'' Fläche. Zur Beurteilung der Sättigung
eines Reizes kann dieser deshalb auch isoliert dargeboten werden

Sowohl die Helligkeit als auch die relative Helligkeit eines
visuellen Reizes hängen direkt von dessen Leuchtdichte,
die in gemessen
wird, ab.
Die hier vorgestellten unterschiedlichen Attributen von Farben
berücksichtigen deren Umfeld nur teilweise. Die verschiedenen
Modelle zur Vorhersage von Farbeindrücken (color appearance
models, siehe Fairchild, 1998) sagen einige oder alle dieser
Attribute von Farben vorher. Die gerade definierten Merkmalsdimensionen
charakterisieren ein Farbe aufgrund von direkt wahrnehmbaren
Attributen. Es lassen sich aber auch andere Möglichkeiten
zur Kennzeichnung von Farben finden: Besonders interessant ist
die numerische Beschreibung von Farben, die im
folgenden Abschnitt eingeführt wird.
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