Amerikanische Auster (Crassostrea virginica; Gmelin, 1791)
John McCabe
Die Amerikanische Auster ist bei weitem die bedeutendste Austernart des
nordamerikanischen Kontinents. Ihr natürliches Verbreitungsgebiet erstreckt sich
vom Golf des St. Lawrence Stroms an der Ostküste Kanadas über die gesamte U.S.
Ostküste bis hinab zur östlichen Küste Mexikos. Stellenweise kommt sie auch an der
Ostküste Venezuelas und der Karibik vor. In begrenzter Menge wird sie auch an der
amerikanischen Westküste (Totten Inlet Estuary im Bundesstaat Washington und
Kalifornien), Hawaii, Japan und Australien kultiviert. Sie zeichnet sich durch
schnelles Wachstum, geografische Anpassungsfähigkeit und vortrefflichen Geschmack
aus.
Sechs saftige Amerikanische Austern ("Crassostrea virginica"). Manche
Austernliebhaber verfeinern ihre Austern gerne mit ein oder zwei Tröpfchen einer
pikanten Soße.
Die Amerikanische Auster bestimmt noch heute 60-70% der US-Austernproduktion. Sie
ist kulturhistorisch stark mit der US-amerikanischen Geschichte verbunden. Einst
war sie entlang der gesamten US-Ostküste reichhaltig vertreten. Hochgradige
Überfischung in den letzten Jahrhunderten sowie die Verbreitung zweier
Austernkrankheiten (Dermo und MSX) ab den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts, führten
dort fast zu ihrer Ausrottung. Nachträgliche Kultivierungsbestreben an der
US-Ostküste in den letzten Jahrzehnten können zwar stellenweise bemerkenswerte
Erfolge verzeichnen, sind jedoch vom produzierten Volumen eher unbedeutend. Die
US-Golfstaaten sorgen heute für immerhin 60-80% der Produktion aller
Amerikanischen Austern.
Bezeichnungen in verschiedenen Sprachen:
Deutsch: Amerikanische Auster
Englisch: Eastern Oyster, American Oyster, Atlantic Oyster, American
cupped oyster, Virginica
Französisch: Huître creuse américaine
Spanisch: Ostión virgínico.
Neben den ländertypischen Bezeichnungen der Austernart selbst, besitzt die
Amerikanische Auster eine enorme Anzahl regionaler Namen. Dies ist insbesondere
an der US-Ostküste der Fall. Die berühmtesten Bezeichnungen sind "Bluepoint"
(Einstmals New York/Long Island, heute jedoch u.a. Connecticut), Wellfleet
(Massachusetts), Cotuit (Massachusetts), Malpeque (Prince Edward Island, Kanada),
Patuxent (Maryland), Apalachicola (Florida), Breton Sound (Louisiana), Black Bay
(Louisiana), Indian River (Florida).
Schale
Die Schale der Pazifischen Auster ist eher oval und länglich geformt, kann jedoch
auch sehr unsymmetrisch sein. Die linke Schalenhälfte ist bauchig, jedoch nicht so
ausgeprägt wie beispielsweise die linke Hälfte der Pazifischen Auster. Die rechte
Schalenhälfte bzw. "der Deckel" ist flach. Zudem ist die Schale der amerikanischen
Auster dicker als die der Pazifischen Auster. Zwar handelt es sich bei der
Amerikanischen Auster ästhetisch kaum um eine "Schönheit", jedoch ist ihr Aussehen
etwas "eleganter" als das ihrer nahen Verwandten, der Pazifischen Auster. Die
unsymmetrischen Einbuchtungen und Auswüchse existieren zwar ebenfalls, jedoch nicht
annähernd so profiliert, wie bei der Pazifischen Auster. Die Schale hat auch nicht
das typische schuppige Aussehen. Das Innere der Schalenhälften ist fast schneeweiß.
Die Narbe des Schließmuskels ist verlässlich dunkelpurpur bis dunkelbräunlich
gefärbt. Äußerlich ist die Schale vorwiegend hell- bis dunkelgrau, kann jedoch auch
braun oder grünlich erscheinen. Die Form der Schale der Amerikanischen Auster wird
von ihrer unmittelbaren Umgebung, Wasserströmung und Bodenbeschaffenheit geprägt. In
weichen Böden wächst sie sich länglich - teilweise so ausgeprägt, dass sie bis ins
19. Jahrhundert gar für eine eigene Austernart gehalten wurde. Amerikanische Austern
mit dieser ungewöhnlichen Schalenform wurden früher als "Shanghais" oder "Pinched
Oysters" bezeichnet. Auf festem Boden wiederum entfaltet sie sich optimal in einer
zugespitzten, länglich ovalen Form. Dies stellt auch die bevorzugte Handelsform dar.
Entsprechend den Nahrungs- und Temperaturgegebenheiten erreicht sie in 3-5 Jahren
die übliche Handelsgröße von ca. 8 cm Länge. Amerikanischen Austern können
vereinzelt eine Länge von 38 cm erreichen und über 1.35 kg wiegen.
Kultivierung
Bei Amerikanischen Austern wird vorwiegend Bodenkultivierung ("managed natural")
oder der Fang aus natürlichen Riffen ("natural") mittels Schürfnetzen,
"Tong-Werkzeugen" und Tauchern betrieben.
Tischkultivierung mit synthetischen Netzsäcken (Poches) ist ebenso verbreitet (z.B.
im Bundesstaat Washington). Dies sorgt für eine einheitlich optimale Schalenform und
erleichtert den rohen Verzehr bzw. das "Schlürfen". Sie gedeiht sowohl in seichten
Gezeitenzonen, wie auch in tieferen Gewässern bis zu 40m.
Vermehrung
Amerikanische Austern sind Hermaphroditen, die das erste Jahr als Männchen
bestreiten. In der nächsten Saison zeigen sie sich der Austern Gemeinschaft als
Männchen oder Weibchen. Eine Prüfung (Andrews 1979) der Amerikanischen Austern im
Delta des James River in Virginia zeigte einen Wandel von 90% einjähriger Männchen
zu 80% älterer Weibchen. Die bevorzugte Laichtemperatur liegt bei 20 °C. Die weitere
Vermehrung entspricht großteils jener der Pazifischen Auster
(siehe Pazifische
Auster).
Natürliche Feinde
Der Amerikanischen Auster steht eine enorme Anzahl natürlicher Feinde gegenüber -
insbesondere bei einer Salinität über 15 ppt. Das erste Jahr ist äußerst kritisch.
Erst danach ist die Schale stark genug um einen erheblichen Anteil der natürlichen
Feinde abzuhalten. Eine Bucht-Anemonenart ("Diadumene leucolena" bzw.
"Ghost Anemone") kann bis zu 5 Austernlarven pro Minute verzehren. Mehr als 100
Exemplare dieser Anemonenart können pro Quadratmeter in einer Austern Gemeinschaft
existieren. Austernbabys werden oft von der Wurmart Stylochus ellipticus angegriffen
und getötet. Bestimmte Schnecken bzw. "Austerndrille" ("Urosalpinx cinerea" und
"Eupleura caudata") gefährden insbesondere Austernbabys und einjährige Austern,
indem sie mit ihren raspelartigen Zungen durch die Schalen stoßen und das
Austernfleisch aus dem Inneren der Schale reißen. Wellhornschnecken ("Busycon
canaliculatum"), mehrere Seesternarten (insbesondere "Asterias forbesi") und mehrere
Krabbenarten ("Cancer irroratus", "Callinectes sapidus" und "Carcinus maenas") sind
jeglicher Austerngröße gewachsen und können der Austern Gemeinschaft vernichtenden
Schaden zufügen. Mehrere Fischarten zeigen ebenso eine Vorliebe für die
Amerikanische Auster ("Opsanus tau", "Gobiidae", "Rhinoptera bomasis", "Pogonias
cromis", "Blenniidae"). Zweitrangig gibt es mehrere Vogelarten, welche die
Amerikanische Auster begehren.