Pazifische Auster (Crassostrea gigas, Thunberg, 1793)
John McCabe
Die Pazifische Auster gilt mit einer Fördermenge von
über 3 Mio. Tonnen als die bedeutendste Austernart der Welt.
Sie zeichnet sich durch schnelles Wachstum, erhebliche Kultivierungsflexibilität,
hochwertigen Geschmack, klimatische Anpassungsfähigkeit
und eine hohe Resistenz gegenüber den meisten Austernkrankheiten
aus.
Bezeichnungen in verschiedenen Sprachen
Deutsch: Pazifische Auster, Japanische Auster, Große
Auster.
Englisch: Pacific oyster, Japanese oyster, Giant oyster, Giant
Pacific oyster, Immigrant oyster, Miyagi oyster, Pacific cupped
oyster.
Französisch: Huître creuse, Japonaise, Gigas, Huitre
géante du Pacifique.
Spanish: Ostión, Ostión japonés.
Neben
den verschieden sprachlichen Bezeichnungen der Austernart selbst
stellt sich die Pazifische Auster im Handel auch öfters
mit einem regionalen Namen (z.B. "Marennes" oder "Cancale"
aus Frankreich, "Loch Fyne" aus Schottland, "Willapa"
aus USA) oder auch Markennamen (wie die "Sylter Royal"
aus Deutschland) vor. Diese Angaben sind für viele Kenner
von großer Bedeutung, da sie auf eine bestimmte Geschmacksrichtung
und Qualität hinweisen. Verschiedene Meeresgebiete und unterschiedliche
Kultivierungsmethoden verleihen Austern ein geschmackliches Wesen.
Austern sind gewissermaßen wie Wein.
Länder mit bedeutender Kultivierung der Pazifischen
Auster
China, Japan (Miyagi-Gebiet), Südkorea, Australien, Kanada
(Westküste inkl. Alaska), USA (Westküste), Mexiko (Westküste),
Irland, Großbritannien, Deutschland (Wattenmeer), Frankreich
(Atlantikküste inkl. französische Mittelmeer-Kultivierungsgebiete),
Spanien, Portugal.
Schale
Die
Schale der Pazifischen Auster zeigt sich im Allgemeinen oval
und länglich. Die linke Schalenhälfte ist ausgeprägt
bauchig, während die Rechte flach ist (siehe auch Orientierung
und Schalenkomposition).
Das Design dieser Austernart funktioniert wie ein "Topf
mit passendem Deckel". Einen Schönheitswettbewerb wird
diese Muschel jedoch nicht gewinnen. Ihr Aussehen mit den unsymmetrischen
Einbuchtungen und Auswüchsen erweckt den Eindruck eines
kantigen, groben "Steinbrockens mit Schuppen". Das
Innere der Schalenhälften ist nahezu schneeweiß. Die
Narbe des Schließmuskels ist weiß bis hin zu Purpur.
Äußerlich kann die Schale farblich hell- bis dunkelgrau,
braun oder grünlich erscheinen. Als gebleichtes Strandgut
kann man die
Schalenhälften in weiß, oft versehen mit rosa- bis
purpurfarbenen Bereichen finden. Die Schale der Pazifischen Auster
wird durch ihre unmittelbaren Umgebung, Wasserströmung,
Substrat bzw. Bodenbeschaffenheit und die zahlreichen Kultivierungsmethoden
bestimmt. Austernbauern fördern bei der Kultivierung oft
gezielt eine symmetrische Schalenbildung.
Weiche Böden können für besonders ungewöhnliche
Schalenformen sorgen. Eine sehr lange und enge Auster (wie abgebildet)
wird von amerikanischen Austernfischern als eine "Shanghai
(Schanghai)" bezeichnet. Dieses ca. 28 cm lange Exemplar
ist offenbar über einen Stein hinweg gewachsen. Es stammt
aus englischen Gewässern. Wo befindet sich der Schließmuskel?
Lösung
Eine symmetrische Form ist ideal für den Handel verschiedener
Größen, den Versand, die ansprechende Optik, einfaches
Öffnen der Austern und für das Schlürfen des Austernfleisches
beim rohen Verzehr. In freier Wildbahn sind die Schalenformen
oft mannigfaltig. Manchmal führt dies zu Formen, die im
Handel als minderwertig (oder gar untauglich) eingestuft werden.
Diese Austern haben trotz ihrer ungewöhnlichen Form ein
einwandfreies Fleisch. Ihr Fleisch wird aus der Schale entfernt,
nach Größe sortiert und findet seinen Weg zum Endverbraucher
in Dosen oder Plastik-Containern (roh, gekocht, geräuchert,
getrocknet. konserviert, als Gewürzpuder, in Soßen...).
Kultivierung
Die Pazifische Auster ist bei weitem der internationale "Liebling"
der Austernkultivierung.
Sie ist robust, krankheitsresistent, flexibel hinsichtlich Salinität
und Temperatur, wächst bei gutem Nahrungsangebot überaus
schnell heran und schmeckt hervorragend. Sie gedeiht am Besten
in seichten Gezeitenzonen, lässt sich jedoch auch in tieferen
Gewässern bis zu 40 m finden. Da Austern sesshaft sind,
sind sie bei der Ernährung von einer guten Wasserzirkulation
abhängig. In Ufernähe gibt es durch Ebbe und Flut ständig
Strömungen, welche die Austern mit Plankton umspülen.
Die Pazifische Auster mag keinen weichen, schlammigen Meeresboden,
weil sie darin versinkt und erstickt. Ebenso haben derartige
Meeresböden eine trübe Wasserschicht, was letztlich
zur Verschlackung führt. Bei solchem Untergrund sollte der
Austernbauer eine Kultivierungsmethode wählen, welche die
Austern über dem Meeresboden erhöht gedeihen lässt.
Solange die Pazifische Auster im gebotenen Gewässer mindestens
überleben kann, hat ein Austernbauer oft die Wahl aus mehreren
Praktiken (siehe Kultivierungsmethoden).
Äußerst kultivierungsfeindlich sind schädliche
Abwässer wie auch "Überkultivierung" (leider
weit verbreitet). Hierbei überlastet die Menge der kultivierten
Austern (die "Biomasse") die natürliche Ökologie
des Meeres und überfordert diese schließlich. Die
Abfallstoffe steigen rasant an und die natürliche Nahrungszufuhr
muss zusätzlich von zu vielen Austern geteilt werden. Dies
führt zu erhöhter Sterblichkeit und verringerten Wachstumsraten.
In den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts war es keine Seltenheit,
dass eine Pazifische Auster an der französischen Küste
bereits mit knapp zwei Jahren eine marktreife Größe
aufweisen konnte. Heute bedarf es für die gleiche Größe
3-4 Jahre.
Temperatur
Erhebliche Temperaturschwankungen verzeiht die Pazifische
Auster schon mal. In kühlen Gewässern wächst sie
zwar langsamer als in Wärmeren, erzeugt jedoch auch festeres
Fleisch, was als Qualitätsmerkmal gilt. Mit entsprechenden
Nahrungsvoraussetzungen verzeichnet sie bei Wassertemperaturen
von 10°C bis ca. 32°C im Allgemeinen ein aussichtsreiches
Wachstum. Sie wächst schneller in wärmeren Gewässern.
Kühlt sich das Wasser jedoch auf ca. 4°C ab, stellt sie die Ernährung
ein. Außerhalb des Wassers (bei Ebbe) kann sie vorübergehend
sogar wenige Grade unter dem Gefrierpunkt überleben. Daher
wird sie auch in den nördlichen Küstengebieten Europas
(Bretagne und Normandie in Frankreich, Irland, Schottland, Sylt
in Deutschland) und der nördlichen Westküste Amerikas
(US-Bundesstaaten Oregon, Washington, Alaska und im kanadischen
Bundesstaat British Columbia) überaus erfolgreich kultiviert.
Drastische Temperaturerhöhungen in den Sommermonaten werden
jedoch als Ursache für das zeitweilige "Sommersterben"
vermutet, welchen in manchen Kultivierungsregionen bis zu 20%
der Austern zum Opfer fallen können. Die natürliche
Vermehrung
der Pazifischen Auster gilt in den kühlen Gewässern
nördlicher Regionen jedoch allgemein als unzuverlässig
und geringfügig. Austernbauern dieser Gegenden besorgen
sich ihre Austernbabys aus Zuchtlaboren oder Gebieten, wo sich
die Pazifische Auster von Natur aus zuverlässig vermehrt
(Die Myagi Gebiete in Japan oder die Bucht von Arcachon in Frankreich).
Salinität
Die Pazifische Auster gilt hinsichtlich des Salzgehaltes
in Meeresgewässern als flexibel. Periodische Prüfungen
der Salinität durch Meeresbiologen sind für Austernbauern
in vielen Kultivierungsgebieten jedoch trotzdem sehr wichtig.
Der Gehalt des Salzes im Wasser beeinflusst die Wachstums- und
Vermehrungsfähigkeit aller Austern. Interessanterweise kann
eine Pazifische Auster bei einem gewissen Salinitätsgrad
noch überleben, wenn manche ihrer natürlichen Feinde
(wie z.B. der japanische Austerndrill Ocenebra japonica und die
Seesterne) bereits an ihm zugrunde gehen.
Ein günstiger Salzgehalt wird von Meeresbiologen durchschnittlich
auf 22-32 ppt () geschätzt, wobei die Pazifische Auster
auch erhebliche Veränderungen zeitweise problemlos toleriert.
Die Pazifische Auster wird äußerst erfolgreich in
vielen Buchten kultiviert, wo sich die Salinität des Meeres
saisonbedingt beträchtlich verändert. So kann der Wert
im Winter bei ca. 28 ppt liegen, jedoch im Frühling durch
Tau- und Regenwetter erheblich fallen. Ebenso ergibt sich aus
dieser Anpassungsfähigkeit ein zusätzlicher Vorteil,
der es Austernbauern ermöglicht, ihre Austern in der letzten
Entwicklungsphase an Flussmündungen oder in Verfeinerungsbecken
(sog. "Claires") geschmacklich zu veredeln (zu "mästen").
Weniger als 18 ppt Salzgehalt gilt als ungeeignet für die
langfristige Kultivierung. Der Wissenschaftler Hopkins (Studie
1936) erkannte, dass die Pazifische Auster bei einer Salinität
von unter 20 ppt zunehmend empfindlich reagiert. Bei 13 ppt notierte
er nur noch geringe Filtrierungstätigkeit, die sich bei
erhöhter Salinität jedoch wieder normalisierte. Sehr
negativ jedoch reagierten die Austern bei geringeren Werten.
Bei 10.5 ppt wurde ein Kiemenschaden bemerkbar, der sich nur
sehr langsam bei einem höheren Gehalt behob. Laut einer
Studie des Wissenschaftlers Quayle (1969) sterben die Austernlarven
bei einem Salzgehalt von 10 ppt.
Zu hoher Salzgehalt (über 50 ppt) gilt als tödlich.
Der Forscher Chew wiederum entnahm einer Labor-Studie (1983)
mit Austernlarven, dass die freischwimmenden Larven ab 15 ppt
mit steigender Salinität zunehmend sesshaft wurden, die
Sesshaftigkeit ab 35 ppt jedoch wieder zurückging. Weiter
stellte er fest, dass die Kombination steigender Salzwerte und
Temperatur das Bestreben der Sesshaftigkeit der Larven zwar zu
erhöhen schien, jedoch trat eine drastische Wende dieses
Verhaltens bei 35°C und 35 ppt Salzgehalt ein. Das Mittelmeer
mit ca. 37 ppt Salinität, und seinen verhältnismäßig
hohen Temperaturen (ca. 20 bis über 30°C) hemmt zwar
nicht das Wachstum selbst, behindert jedoch die Vermehrung der
Pazifischen Auster erheblich.
Fleischgewicht
Das Fleischgewicht ist für den Austernbauern von höchster
Bedeutung.
Rein aus der Schalengröße einer Pazifischen Auster
kann man nicht zuverlässig auf die enthaltene Fleischmenge
schließen. So kann eine Pazifische Auster aus der einen
Gegend lediglich die Hälfte des Fleisches einer gleichgroßen
Auster aus einer anderen Gegend beinhalten. Das Fleischvolumen
der Auster wird vom Vorkommen und der Qualität der Nährstoffe,
Sättigungsfähigkeit im Umfeld anderer Austern wie auch
dem Ernährungsverhalten (beeinflusst von Temperatur, Salinität,
Ebbe und Flut) bestimmt. In Frankreich
wird dem Fleischgewicht der Pazifischen Auster große Beachtung
geschenkt. Austernbauern in manchen Anbaugebieten Frankreichs
mästen ihre Pazifischen Austern nachträglich in besonders
nahrungsreichen Becken (sog. "Claires") und verfeinern
gleichzeitig den Geschmack. Eine "#3" der berühmten
Marennes-Oléron-Austern schenkt dem Genießer 66-85
g Gewicht (siehe auch "Größen").
In den USA wiederum hält das Austernangebot gemeinhin drei
grobe Größen zur Auswahl bereit: "small, medium,
large". Tatsächliches Fleischvolumen und letztlich
Qualität sind beim Kauf frischer Austern in der Schale oft
reine Glückssache. Anders ergeht es kleineren Austernbauern
in den USA, denn sie beliefern häufig große Unternehmen.
Beim Ankauf dieser Austern achten die großen Unternehmen
sehr wohl auf das Fleischvolumen der angekauften Austern. So
können 100 Austernkörbe ("Bushels") an der
Westküste der USA letztlich 380 Liter Austernfleisch bringen.
Mit dieser Ausbeute erhält der Bauer dann den vollen Preis
von ca. $US 1.500. Bringen die 100 Körbe jedoch nur 190
Liter, dann bekommt er lediglich die Hälfte ausgezahlt.
Natürliche Feinde
Insbesondere
im ersten Lebensjahr ist die Pazifische Auster einer Vielzahl
von natürlichen Feinden ausgesetzt, denn ihre Schale ist
noch dünn. Zwar unterscheiden sich die natürlichen
Feinde in den verschiedenen Anbaugebieten der Welt etwas voneinander,
jedoch bestehen sie in erster Linie aus Seesternen, Krabben,
bestimmten Fischen und in manchen Regionen dem so genannten "Austerndrill"
("Ocenebra japonica" bzw. "Japanese Oyster Drill").
Unbemerkt vom Austernbauern können Seesterne bis zu 100%
der Austernbabys sehr schnell vernichten. Bereits 1 cm große
Seesterne greifen Austernbabys effektiv an - bei ca. 10 cm fallen
Seesterne bereits über handelsreife Austern her. Großen
Seesternen ist keine Pazifische Auster gewachsen. Seesterne ziehen
mit ihren starken Armen die beiden Schalenhälften auseinander,
stülpen ihren Magen durch den Spalt ins Innere der Auster
und verschlingen sie bei lebendigem Leib. Krabben wiederum knacken
die Austernschalen mit ihren starken Zangen. Beim Austerndrill
(Ocenebra japonica) handelt es sich um eine ca. 4 cm große
Gastropode (Schnecke). Mag ihr Aussehen auch ein wahrlich schöner
Fund manches Muschelsammlers sein, so gilt sie jedoch als einer
der größten Feinde der Pazifischen Auster. Ursprünglich
aus Asien stammend, ist diese Gastropode inzwischen auch in den
Küstengewässern der USA weit verbreitet. In manchen
Küstengebieten des US-Nordwestens ist diese Schnecke so
reichhaltig vertreten, dass Austernbauern lediglich zweijährige
und ältere Austern kultivieren. Jüngere Austern hätten
kaum eine Überlebenschance. Die Zunge dieser Schnecke gleicht
einer Raspel, mit der sie ein Loch in die Austernschale bohrt.
Sobald sie die Schale durchdrungen hat, reißt sie nach
und nach Fleischfetzen aus dem Inneren heraus. Auch manche Fische
können dem Geschmack der Austern nicht widerstehen. In westamerikanischen
Küstengebieten gilt ein bestimmter Rochen ("Bat Ray"
bzw. "Myliobatis californicus" als großer "Austernliebhaber".
In europäischen Küstengewässern wiederum hält
sich die Zahl der natürlichen Feinde der Pazifischen Auster
in Grenzen. Im deutschen Wattenmeer werden seit 1986 in der Sylter
Blidsel-Bucht vorzügliche Pazifische Austern kultiviert.
Im deutschen Wattenmeer hat die Pazifische Auster so gut wie
keine natürlichen Feinde.
Der
mächtige Sonnenblumen-Seestern ("Sunflower starfish"
bzw. "Pycnopodia helianthoides") ist an der US-Westküste
als großer Austernliebhaber bekannt. Er kann über
1 m groß werden (übliche Größe ca. 70 cm).
Da die Natur ihn mit 24 Armen großzügig bedacht hat,
gilt er nicht nur als einer der schnellsten Seesterne (3 m pro
Minute) sondern auch als überaus fähiger Killer. Fast
nichts im Meer ist seinem Hunger gewachsen. Allein sein Erscheinen
schlägt viele Meeresbewohner in die Flucht. Neben allen
Muschelarten schmecken ihm übrigens auch tote Fische.
Ein
Austerndrill bevorzugt junge Austern. Es gibt mehrere Arten.
Meeresschnecken dieser Art sind unter Austernbauern in USA und
Asien gefürchtet (insbesondere bei der Bodenkultivierung),
da sie sich üppig vermehren und große Austernbestände
umgehend vernichten können. Beim abgebildeten Beispiel eines
Austerndrills handelt es sich um "Urosalpinx tampaensis",
eine augenscheinlich hübsche kleine Schnecke, welche zusammen
mit dem sogenannten Atlantic Oyster Drill (Urosalpinx cinerea)
über die Amerikanische Auster (Crassostrea
virginica) herfällt. An der US-Westküste wurde
der gefürchtete Japanische Austerndrill (Ocenebra japonica)
im 20. Jahrhundert eingeschleppt. Eiersäcke dieser Schneckenart
befanden sich auf dem, für Kultivierungszwecke mit jungen
Pazifischen Austern besetzten Schalengut aus Japan.
Siehe auch "Vermehrung
und Wachstum der Pazifischen Auster" im Bereich "Biologie".