Der Schließmuskel und das Ligament Viele Muschelarten sind mit zwei Schließmuskeln ausgerüstet. Bei der Evolution der Austern (und mehreren anderen Muschelarten) hat sich der zweite Schließmuskel zurückgebildet. Lediglich in ganz jungen Stadien der Austern lässt sich ein kleiner Ansatz zur Entwicklung eines zweiten Schließmuskels erkennen, welcher sich jedoch zurückbildet bzw. belanglos ist. Dafür entwickelt sich der verbleibende Schließmuskel (bzw. "Adduktor") zu einem wahren Kraftprotz. Er macht 20 bis 40% des Gesamtgewichts des verborgenen Weichtiers aus. Die
Funktion der Austernschalen kann mit der Funktion unserer Hand
verglichen werden. Wir ballen mit unseren Muskeln die Hand fest
zur Faust. Entspannen wir dann die Muskeln wieder, so öffnet
sich die Faust etwas. Bei genauerer Betrachtung bemerkt man, daß sich dieser Muskel aus zweierlei Muskelgeweben zusammensetzt. Das weißliche quergestreifte Muskelgewebe kümmert sich lediglich um das Schließen. Die geschmeidige Muskelregion wiederum verleiht der Auster die notwendige Kraft und Ausdauer zum längeren Verschluß. Der Schließmuskel kann die Schalenhälften nur schließen (und geschlossen halten), jedoch nicht öffnen. Beim Öffnen hilft ein elastisches braunes Ligament (Schlossband) beim Scharnier nahe dem wirbelartigen "Schnabel" der Austern (orange Kreis in der Abb.). Auch hier findet eine Doppelfunktion statt: Spannung bzw. Entspannung und eine simultane Federung. Sobald die Auster ihre Schale schließt, spannt sich ein Anteil des Ligaments wie ein Bogen. Gleichzeitig wird eine gummiartige Schicht des Ligaments beim Schließen unter Druck gesetzt. Sie wird als "Resilium" bezeichnet. Das Ligament dient der Auster beim Öffnen folglich mit einer Doppelfunktion: Spannung und simultane Federung. Der starke Schließmuskel der Austern ist an beiden Schalenhälften befestigt und derartig positioniert, daß das optimale Zusammenspiel mit dem Ligament beim Öffnen und Schließen gewährleistet ist. Nach dem Öffnen einer Auster kann man das womöglich verbliebene Muskelfleisch auf der anderen (rechten) Schalenhälfte abkratzen und die Schließmuskelnarbe erkennen. Sie kann bei verschiedenen Austernarten unterschiedliche Farbtöne aufweisen oder auch einfach schlicht weißlich wie der Rest der Schale wirken. Ebenso kann die Narbe der rechten Schalenhälfte einen Farbton aufweisen, während die Narbe in der linken (bauchigen) Schalenhälfte keinen Farbton aufweist (oder auch umgekehrt). Die Farbe dieser Narben in der linken und rechten Schalenhälfte kann als ein ziemlich zuverlässiges Identifizierungsmerkmal einer Austernart gelten.
Meinen Beobachtungen nach ist die Farbe der Narbe in der linken Schalenhälfte oft aufschlußreicher als ihr Gegenstück auf der rechten Hälfte. Beispielsweise kann man bei der Amerikanischen Auster zuverlässig eine ausgeprägt purpurne Narbe in der linken, und eine mehr oder minder purpurne Narbe auf der rechten (flachen) Schalenhälfte vorfinden. Bei den Pazifischen Austern wiederum ist die Narbe in der linken Schalenhälfte oft schneeweiß oder hellbräunlich, während die rechte Schalenhälfte neben Weiß auch durchaus öfters hellpurpurne bis hellbräunliche Farbtöne aufweisen kann. Zuverlässig im Sinne der Artenidentifizierung ist die Färbung der Narben bei Pazifischen Austern jedoch keinesfalls. Die Position des Schließmuskels im Inneren einer typischen
Schalenfestung läßt sich übrigens auch zuverlässig
vor dem Öffnen der Austern abschätzen. Liegt die Auster
mit dem Bauch nach unten vor uns auf der Arbeitsfläche und
ihr Scharnier weist auf uns, dann befindet sich der Schließmuskel
in der rechten Hemisphäre der Auster im vorderen Quadrant. Manchmal weisen Austern jedoch äußerst ungewöhnliche Schalenformen auf, welche die Position des Schließmuskels nicht so leicht verraten.
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