Perlmutt
John McCabe

Die glänzende, bei einer Lichteinwirkung mehr oder minder prismatisch irisierende Schaleninnenschicht vieler Mollusken trägt die Sammelbezeichnung "Perlmutt".

Perlmutt in sich ist in der Natur kaum eine Seltenheit. Beispielsweise besitzt auch jede bescheidene kulinarische Auster eine Perlmuttschicht. Sie wirkt optisch zwar etwas langweilig, jedoch bedingt einfallendes Licht stellenweise ein gewisses "perlenartiges" Lüster. Dieses Perlmutt ist uns ästhetisch jedoch einfach nicht "perlmuttig" genug. Ein Juwelier verzichtet auf jeden Fall gerne auf die Verarbeitung dieser Art "Perlmutt". Die innere Schalenschicht der Perlaustern andererseits offenbart im Licht einen betäubend schönen Anblick, welche uns sogleich die ehrwürdige Qualifikation "Perlmutt" abgewinnt.



Es gibt also Qualitätsstufen bzw. "Perlmutt ist nicht gleich Perlmutt", insbesondere wenn es um Schmuck geht. Hier ist bestes Perlmutt gefragt, welches vorwiegend von den Silber- oder Goldlippen-Perlaustern (Pinctada maxima), Schwarzlippen-Perlaustern (Pinctada margaritifera) und größeren Exemplaren der La Paz-Perlaustern (Pinctada mazatlanica) stammt. Dieses Permutt ist besonders rein und dickwandig. Abhängig von der Herkunft des Perlmutts liegt die sogenannte "Moh'sche Härte" bei 2,5 - 4. Bei der Verarbeitung zu einem bezaubernden Schmuckstück, muß ein Fachmann also verschiedene Feinarbeitswerkzeuge einsetzen. Ebenso kann er/sie mit gekonnter Handarbeit die schimmernde Leuchtkraft des Perlmutts durch Schleifen und seidenglattes Polieren erhöhen.

Da der irisierende Schimmer durch einfallendes Licht in der mikroskopisch feingefächerten Struktur hervorgerufen wird, beachten manche Käufer bei der Begutachtung des Perlmutts (wie auch bei Perlen) die Beleuchtungsgegebenheiten. Unterschiedliche Lampen und Beleuchtungsgrade lassen Perlumtt (und Perlen) unterschiedlich irisieren. Da die gekonnte Beleuchtung u.U. eine überdurchschnittliche Qualität vortäuschen könnte, bringen Käufer manchmal ihren eigenen (ihnen wohlbekannten) Perlmuttschmuck (oder Perlen) mit zum Juwelierladen, um einen Vergleich in der selben Beleuchtung zu schaffen.

Die Bestandteile des Perlmutts einer Perlauster und die Bestandteile ihre zeitweiligen Naturperlen sind identisch. Beide Produkte bestehen zu 80 -92% aus Calciumcarbonat. Das kristalline Calciumcarbonat ist primär in der Form des sogenannten "Aragonit" vertreten. Sekundär ist Calciumcarbonat als Calcit vertreten. Diese mikroskopischen Kristalle werden von einer organischen Mischung aus Proteinen und sogenanntem "Conchin" (bzw. "Conchiolin") gewissermaßen "verkittet". Hinzu kommt ein kleiner Prozentsatz an Wasser. Manche Fachleute unterscheiden zwischen der Substanz des Perlmutts und der Substanz (oder dem Belag) der Perlen. Sie sprechen von "Nacre" bei Perlen. Andere Fachleute verstehen die Unterscheidung zwischen "Perlmutt" und "Nacre" als müßig, da die "Zutaten" längst bewiesen identisch sind. Das "Rezept" bzw. die respekiven Prozente der "Zutaten" sind jedoch etwas anders. Perlmutt enthält z.B. etwas mehr Wasser im "Rezept". Perlen sind etwas härter bzw. widerstandsfähiger als Perlmutt. Perlmutt kann zerbrechen bzw. absplittern.

In einem Forschungsbericht mit dem Titel Über die Bildung und das Wachstum von Perlmutt (1972; F. K. Schattauer Verlag) beschrieb Dr. H. K. Erben interessante Perlmutt-Unterschiede (u.a.) zwischen Gastropoden (Schnecken wie z.B. Abalone bzw. Seeohren) und Pelecypoden (Muscheln). Mit einem Raster-Elektronenmikroskop untersuchte er die Innenfläche der Gehäusemündungen vieler verschiedener Meeresschnecken und Muscheln aus aller Welt. Erstmals beobachtete Erben die frühesten Initialstadien der Perlmuttscheibchen. Dabei bemerkte Erben, dass sich Gastropoden-Perlmutt im “Stapel-Modus” bildet, während sich Pelecypoden-Perlmutt im “Schichtstufen-Modus” (Erben) bildet (mit Ausnahme des Genus Nucula und den Trigonacea, aber unter Einbeziehung des Genus Pinna). Statt den interlamellaren und interkristallinen Conchin- (Conchiolin-) Membranen bei maturem Perlmutt ist jedes der initialen und wachsenden Perlmutt-Scheibchen und -Plättchen lediglich von einem organischen, hüllenartigen Überzug umgeben.

Wie Perlen altert auch das Perlmutt. Ähnlich wie bei uns Menschen kann niemand garantieren wie alt Perlmutt oder Perlen werden. Der organische Bestandteil Conchin verändert sich über Zeit. Perlmutt und Perlen wirken im hohen Alter öfters matt und später blättern langsam Schichten ab. Bei Funden in Gräbern der Antike läßt oft nur noch ein Häufchen Staub die einstmals sicherlich prachtvollen Perlen und Perlmutt-Einlagen erahnen. Langfristig soll hohe Feuchtigkeit oder hohe Trockenheit den Verfall beschleunigen. Durchschnittlich gelten 100 bis 150 Jahre als die erwartete Lebensdauer. Es gibt jedoch auch Perlmutt und viele Perlen, welche trotz vieler Jahrhunderte noch heute absolut perfekt wirken. Besonders kostbare Perlen lassen sich professionell im Alter manchmal etwas "schälen" bzw. eine feine Oberschicht wird behutsam entfernt, um den Glanz der unteren Schichten wieder aufleben zu lassen. Ebenso lassen sich uralte Perlmutteinlagen bei kostbaren Gegenständen manchmal durch professionelle Poliermethoden wieder restaurieren.

Verwertungen
Neben der Verarbeitung zu Schmuck, ist Perlmutt auch anderweitig von großer Bedeutung:

* Die geschliffenen und polierten Schalen der Perlaustern galten einst in der polynesischen Welt als die gängige Währung. Noch heute haben sie dort vereinzelt einen derartigen Stellenwert. Eine andere Währungsform waren die Perlmutt-Chips in vielen europäische Casinos bis Ende des 19. Jahrhunderts. Heute handelt es sich bei "perlmuttigen" Casino-Chips um Kunststoff. Man spricht von einem "Perlmutt-Effekt".



Abb. links: Ein kleines Perlmutt-Gefäss. Ursprung unbekannt. Wurde angeblich an einem Long Island Strand (U.S. Bundesstaat New York) in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts gefunden. Die Herzform wurde aus vier Schalenteilen zusammengesetzt.

 

Abb. oben: Gürtelschnallen aus Perlmutt (1950er - 60er Jahre). Wurden vorwiegend aus Perlmuschel-Perlmutt (Genus Pinctada) gefertigt.

* Metall-Löffel (Gold ausgenommen) verleihen dem kostbaren Kaviar einen unangenehmen Beigeschmack. Perlmuttlöffel gelten als die beste Wahl bei der Handhabung dieser Delikatesse. Diese formschön geschliffenen Löffel werden auch gerne als Eierlöffel eingesetzt. Ebenso werden aus größeren Perlausterschalen bezaubernde Schmuck- und Servierschalen geschaffen.

* Perlmutt-Teller könnten als das Porzellan des Meeres bezeichnet werden. Diese polierten Schalen stammen von den großen Perlaustern Pinctada margaritifera und Pinctada maxima. Die üblichen "Tellergrößen" belaufen sich auf ca. 10 - 13 cm Durchmesser. Um so größer sie jedoch sind, um so unproportional teurer werden sie, da wesentlich seltener und erheblich robuster. Die nächsten 3 cm könnten also den Preis im Handel verdoppeln.

* Perlmuttknöpfe wurden noch bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts millionenfach produziert, insbesondere in USA (begrenzt auch in Europa, den Philippinen und Japan). Sie stammten weitaus überwiegend von mehreren Flussperlmuschelarten (vorwiegend aus den Familien Unionidae und Margaritiferidae). Die Lebenserwartung mancher Arten wird auf über 100 Jahre geschätzt. Schon in der Steinzeit verarbeiteten Indianer die Schalen dieser Muschelarten zu Schmuck und diversen anderen Objekten. Das Fleisch der Flussperlmuscheln galt als Nahrungsergänzung. Grabfunde (u.a. in Hopewell, Ohio) nach der Entdeckung Nordamerikas erwiesen, dass die indianischen Völker auch die Naturperlen dieser Arten sehr schätzten.

Merkwürdigerweise beflügelten die zeitweilig hochwertigen Naturperlen dieser Flussperlmuschelarten die amerikanische Perlmuttknopfindustrie. Der erste sogenannte "Pearl Rush" startete in Nordamerika im Jahre 1857, unmittelbar nach dem Fund einer fantastischen Naturperle nahe der Stadt Patterson im US-Bundesstaat New Jersey. Sie wurde mit US $2.500 bewertet - ein spektakulärer Preis für die damalige Zeit. Neben der Belieferung der Perlmuttknopf-Industrie mit Schalen gab es also für jeden "Flussperlmuscheljäger" einen weiteren Anreiz so viele dieser Tiere wie nur moeglich zu töten: Die Schatzsuche! Mit jeder geöffneten Muschel erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit des Fundes einer hochwertigen Naturperle!
Obwohl in USA bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Perlmuttknoepfe vielerorts produziert wurden, gelang einem deutschen Einwanderer namens J. F. Boepple im Jahre 1891 erstmals der Durchbruch mit Massenproduktion. Seine Fabrik befand sich in Muscatene, Iowa.


Abb. links: Die einstmals bearbeiteten Schalen drei verschiedener Flussperlmuschelarten und verschiedene Perlmuttknöpfe. Die durchlöcherte Schale links zeigt die Innenansicht bzw. die "perlmuttige" Schicht (sog. Hypostracum). Die Schalen rechts und unten zeigen die vergleichsmaessig unattraktive Aussenansicht (sog. Periostracum). Die Grösse der Schale rechts ist 16 cm x 11 cm (Gewicht 205 g). Obwohl genug Perlmutt für fünf oder gar sechs Knöpfe vorhanden ist, wurden nur drei Knöpfe aus dieser Schalenhaelfte gewonnen - und die Schale danach weggeschmissen. Bild kann durch Anklicken vergrössert werden.

Im Jahre 1912 liefen ca. 200 amerikanische Knopf-Fabriken auf Hochturen. Da Perlmutt (und Perlen nebenher) auch gefärbt werden kann, wurden auch viele Knöpfe mit unterschiedlichen Farbtönen gehandelt (insbesondere Rot- und Blautöne). In den 1940er und 50er Jahren ersetzten jedoch wesentlich günstigere Plastikknöpfe zunehmend die Perlmuttknöpfe. Neben der ohnehin ständig steigenden Knappheit an Muscheln besiegelte dies den entgültigen Untergang fast aller nordamerikanischen Unternehmungen in dieser Branche. Man könnte folgern, dass dieser Umstand zu einer Erholung der bereits in erschreckendem Ausmass ausgeplünderten Flussperlmuschelbestände führen wuerde. Dies war jedoch nicht der Fall.

Mittlerweile hatten die Japaner entdeckt, dass sich Perlmutt der amerikanischen Flussperlmuscheln hervorragend in der Produktion von Zuchtperlen einsetzen lässt. Simultan mit dem Untergang der Perlmuttknopfindustrie entstand folglich eine neue amerikanische Perlmutt-Industrie. Zahllose kleine, runde Perlmutt-Sphären in verschiedenen Grössen wurden sodann aus den Schalen der Flussperlmuscheln gefertigt und nach Japan versandt. Dort wurden sie (bzw. werden sie teilweise noch heute) chirugisch in das Fleisch der Perlaustern eingepflegt, wo sie dann durch den natürlichen Abwehrmechanismus der Perlaustern zunehmend mit Perlmutt beschichtet werden (also gewissermassen "Salzwasser-Perlmutt auf Süsswasser-Perlmutt"). Eine derartige Sphäre wird in der Zuchtperlenindustrie als Nucleus bezeichnet. Anfangs wurde vorwiegend die Austernart Pinctada fucata mit dieser Einpflanzungsmethode genutzt, später auch andere Perlausternarten.

Wie bereits mehr als 100 Jahre zuvor in Europa, hatte die weitgehend ungezügelte Ausbeutung der nordamerikanischen Flussperlmuscheln nun auch in Amerika verheerende Folgen. 1992 ergab eine Studie (Neves et al), dass neben den 18 Muschelarten, welche bereits als ausgestorben galten, mindestens weiteren 45 Arten im folgenden Jahrzehnt das gleiche Schicksal zuteil werden dürfte. Neuste Statistiken dazu liegen diesem Schreiber derzeit noch nicht vor. Fest steht lediglich, dass Flussperlmuscheln nach wie vor noch heute zu den gefährdetsten Tiergruppen überhaupt gehoeren. Im Gegensatz zu vielen gefährdeten Säugetieren und Vögeln, wird ihr hochgefährdeter Status überraschenderweise nur selten oeffentlich wahrgenommen.Gross war die Empoerung über Pelzmaentel und Federhüte. Das grausame Schicksal jener Tiere jedoch, welche über hundert Jahre lang für abermillionen Perlmutt-Knöpfe sorgten und tagtäglich hautnah an den Hemden und Hosen zahlloser Menschen auf der ganzen Welt getragen wurden, verläuft weitgehend unbeachtet.

Noch heute werden Perlmuttknöpfe bei vielen hochwertigen Kleidungsstücken eingesetzt. Kleine Perlmuttknöpfe (für ein Hemd z.B.) lassen sich noch günstig finden. Große, besonders hochwertige Perlmuttknöpfe (z.B. für einen Mantel) können jedoch mitunter 10 Euro (und mehr) pro Stück kosten - sogar im Gebrauchtzustand.

Abb.: Postkarte des Weltpost-Vereins (frühes 20. Jahrhundert). Beschreibung auf der Rückseite lautet: "Bethlehemitische Perlmutterhändler; Marchands de nacre; Mother-of-pearl sellers." Bild für Vergrösserung anklicken.

*Die besonderen Eigenschaften des Perlmutts inspirieren manchmal auch Künstler. Im abgebildeten Beispiel nutzte der Künstler eine der Schalen einer grossen Flussperlmuschel als Hintergrund für eine Landschaft. Im Abendlicht scheut ein Reh zwei Enten im Wald an einem Bach auf. Das irisierende Perlmutt verleiht dem Bach und dem abendlichen Horizont eine dreidimensionale Qualität. Dies bedingt beim Betrachter einen bemerkenswerten Gesamteindruck, welcher sich zudem vom Blickwinkel her und auch bei unterschiedlicher Beleuchtung ständig veraendert.
Bildanmerkung: Trotz mehrfacher Versuche, ist mir dieses Bild leider nicht sonderlich gelungen bzw. wird es nicht annähernd der Schönheit dieses Werkes gerecht. Die Schalenhaelfte ist gross (15 cm x 10 cm) und ungewoehnlich schwer (225 g). Signatur des Kuenstlers links unten am Schalenrand: Harpole 82, #743. Das Bild kann durch Anklicken vergrössert werden. Eine Abbildung der Rückseite (Periostracum der Schale) koennen sie hier einsehen. Es handelt sich wahrscheinlich um die weitverbreitete (und nicht vom Aussterben bedrohte) nordamerikanische Flussperlmuschelart Amblema plicata (Say, 1817), welche im amerikanischen Volksmund als Threeridge bezeichnet wird (sprachlich aus three ridges zusammengesetzt = drei [Gebirgs]Kämme oder auch drei [Dach]Firste).

* Früher waren Fischköder aus Perlmutt sehr beliebt. Das prismatische Schimmern täuschte vielen Raubfischarten erfolgreich einen kleinen Leckerbissen vor. Zudem mochten Angler diese Perlmutt-Köder, da Perlmutt gewichtig genug ist, um es mit der Rute samt Angelleine weit (genug) hinaus in in den See oder das Meer zu befördern. Perlmutt ist das schwerste Material einer Austernschale (siehe auch Komposition). Heute sind diese Perlmutt-Köder selten bzw. gelten teilweise als Sammlerstücke. Ihre Massenproduktion ist inzwischen einfach zu teuer. Irisierende Aufkleber auf Stahlködern und funkelnde Kunststoffköder haben sie längst ersetzt.

* Besonders die Streich- und Zupfinstrumente der Welt haben eine klassische Verbindung zu Perlmutt. Beispielsweise sind manche hochwertige Gitarren mit Perlmutteinlagen in der Umrandung des Korpus, des Halses oder der Kopfplatte versehen. Auch die Mechanikendrehknöpfe bestehen manchmal aus Perlmutt. Wer nur einen dieser Perlmutt-Drehknöpfe ersetzen muß, darf manchmal mit einem hohen Preis rechnen. Inzwischen gibt es deshalb auch günstigen "Ersatz-Perlmutt" aus Kunststoff. Viele Musiker möchten jedoch nicht auf den "touch and feel" des echten Perlmutts bei ihren hochwertigen Instrumenten verzichten. Ihre Fingerspitzen fühlen auf Anhieb den Unterschied zwischen einem Drehknopf aus einer Gußform in Taiwan und feingeschliffenen Perlmutt-Drehknöpfen. Nicht selten verstimmt sie dieser feine Unterschied bereits vor ihr geliebtes Instrument in ihren fähigen Händen musikalisch aufblühen darf.

* Eine besonders bezaubernde Form des Perlmutts stammt von bestimmten Abalone-Arten (Familie Haliotidae). Abalone sind Meeresschnecken welche in manchen Küstengewaessern leben. Mehrere bedeutende Abalone-Arten sind an der Westküste Nord- und Mittelamerikas beheimatet. Begehrt sind auch Abalone-Schalen von mehreren Kuesten Afrikas. Die berühmteste Abalone-Art der Welt ist die sogenannte Pauamuschel bzw. Paua Abalone (Haliotis iris, Gmelin, J.F., 1791). Diese Art Perlmutt irisiert unverkennlich in bezaubernden grünen und blauen Farbtönen hat sich in der westlichen Welt in der Form von Schmuck erst in den letzten hundert Jahren erfolgreich durchgesetzt. Ein großer Lieferant ist Neuseeland. Die einheimischen Maori-Staemme bezeichnen Neuseeland als Aotearoa (ausgesprochen Ay-o-tee-uh-ro-uh; bedeutet Land der langen, weissen Wolke) und ihre wahrlich bemerkenswerte Meeresschnecke Paua.

Abb. oben: Ein bezaubernder Paua-Vogel. Spannweite 8 cm. Länge 6 cm. 15 g.
Abb. unten: Eine zusaetzliche Besonderheit sind die betäubend schönen Perlen dieser Meeresschnecken. Sie werden als "Paua-Perlen" bezeichnet. Bei der abgebildeten Halbperle handelt es sich um eine Zuchtperle (Größe in der Abbildung in mm). Abalone-Naturperlen sind selten - in runder Form ganz selten. Oft ähnelt die Form der Naturperlen dem Reisszahn eines Raubtiers.

 


Abb. links: Abalone-Knöpfe sind wesentlich seltener als jene der Flussperlmuscheln. Wurden bei der Herstellung gemeinhin nicht gefärbt.

 

 

 

 

 



Abb. oben: Innenansicht des Perlmutts der roten Abalone-Schnecke (Haliotis rufescens). In der Mitte ist der auffällige Abdruck des riesigen Muskels der Schnecke zu sehen. Max. Durchmesser bzw. Breite (Richtung Apex der Schale links zu den Löchern rechts) ist 22 cm. Schalengewicht: 745 g. Exemplare bis zu 28 cm sind bekannt. Beheimatet an der Westküste Nordamerikas, von Süd-Oregon, USA, bis Baja California, Mexiko. Grossansicht innen hier. Grossansicht aussen hier.

Abb. unten: Aussenansicht des Perlmutts einer polierten Paua-Schale (15 cm, 61 g). Kurz nach dieser Aufnahme im Garten stellte ich diese Schale momentan auf dem Küchentisch ab. Die schillernde Pracht erwies sich als unwiderstehlich für meinen jüngsten Sohn, welcher sogleich eine unabsichtliche Zerbrechlichkeitsprüfung ausführte. Nach dem freien Fall zu Boden steht nun fest: Paua-Perlmutt ist zerbrechlich. Ein quadratisches Stück (ca. 25 x 25 mm) brach heraus. Die verunglückte Schale zerschellte jedoch nicht (wie z.B. Porzellan). Grossansicht hier

Es gibt ca.100 Abalone-Arten. Haliotis rufescens gilt als die grösste Art. Mehrere Abalone-Arten haben einen sehr hohen kulinarischen Stellenwert - so hoch, dass ihr bezauberndes Perlmutt oft als nebensächlich angesehen wird. Asiatische Restaurants sind Grosskunden dieser Delikatesse. Manche Inhaber schenken die ausnahmslos schönen Schalen den (braven) Kindern ihrer (besseren) Kunden. Typische Abalone- Schnecken-Handelsgrössen liegen um 15 cm.

Abb. oben: Ein putziger Abalone-Perlmutt-Vogel, hergestellt in Mexiko. Mischung von Perlmutt, Silber (Füsse) und weiteren (dem Schreiber unbekannten) Substanzen (Schnabel, Augen, Innenschicht). Länge: 55 mm. Gewicht: 5 g.

Perlen aus kulinarischen Austern
Obwohl alle Austernarten Perlen erzeugen können, gelingen den kulinarischen Austernarten lediglich sehr bescheidene Exemplare, welche handelsmäßig wertlos sind. Eine typische Pazifische "Schlürfauster" wird ohnehin im Alter von ca. 3 - 4 Jahren bereits gehandelt - zu wenig Zeit, um eine "ordentliche Naturperle" zu schaffen. Gemeinhin sind sie winzig (ca. 1 - 2 mm), glanzlos, und sehr selten. Diese Perlen gelten bei manchen Gourmets als unerwünscht, zumal sie meinen, daß ihre Entdeckung beim Verzehr einer Auster mitunter vielleicht einen Besuch beim Zahnarzt auslösen könnte. Andere Austernliebhaber wiederum begegnen diesen Naturperlen mit guter Mine, da die Entdeckung einer derartigen Naturperle tatsächlich eine Seltenheit darstellt. Sie verstehen sie eher als Glücksbringer. Trotzdem landen sie üblicherweise am Rande der Serviette (statt im Schmuckkästchen). Gemeinhin werden diese winzigen Perlen eher bei Austerngerichten statt beim Schlürfen entdeckt. Beim Schlürfen werden sie oft unentdeckt einfach geschluckt. Dieser Umstand dürfte kaum bedenklich sein, zumal Perlen historisch nicht nur als Schmuck, sondern ebenso als bedeutendes Medikament in vielen Kulturen geschätzt werden. Der Vater der Zuchtperlen z.B., Kokichi Mikimoto, soll angeblich zwei Perlen pro Tag im gesundheitlichen Sinne geschluckt haben (er starb im 96. Lebensjahr). Abb.: Eine Naturperle aus einer Pazifischen Auster. Die seltenen Perlen sind gemeinhin winzig (1 - 2mm) und nur sehr selten rund. Dieses "Prachtstück" erreichte eine Länge von 3 mm.

Meiner persöhnlichen Erfahrung nach (also rein "unwissenschaftlich"), ist die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung einer derartigen Naturperle in kulinarischen Austern am ehesten bei bodenkultivierten (und wildwüchsigen) Austern zu erwarten. Tischkultivierte Austern (wie z.B. in Europa und an der US-Westküste üblich) produzieren scheinbar äußerst selten diese "Naturperlen". Dies erscheint mir schlüssig, da parasitische Eindringlinge vorwiegend die natürliche Perlenbildung in allen Austern verursachen. Sie sind am Meeresboden wesentlich reichhaltiger vertreten als auf den Tischen der Austernbauern.

Da die berühmtesten Perlen der Welt edle Namen wie z.B. La Pelegrina (Die Unvergleichliche) oder La Peregrina (Die Pilgerin) tragen dürfen, eine bescheidene kulinarische Auster jedoch sicherlich ebenso tüchtig an der Produktion einer (wertlosen) Naturperle werkelt wie eine Perlauster, verleihe ich allen kulinarischen Naturperlen die ich entdecke den edlen Namen La Insignifica (Die Unbedeutende). Gerne zitiere ich im selben Zuge auch meinen verehrten deutschen Schriftsteller Theodor Fontane: "Ein Optimist ist ein Mensch, der ein Dutzend Austern bestellt, in der Hoffnung, sie mit der Perle, die er darin findet, bezahlen zu können."

Perlmutt und Perlen aus europäischen Binnengewässern
Eine einstmals in Europa bedeutende Quelle hochwertigen Perlmutts hatte mit den Schalen der Perlaustern der Ozeane nichts zu tun. Die damals reichen Vorkommen einer ganz andere Muschelart aus den europäischen Binnengewässern war von überragender Bedeutung: die Europäische Flußperlmuschel (Margaritifera margaritifera). Dabei handelt es sich um eine besonders große Muschelart, welche über die letzten Jahrhunderte durch Umweltverschmutzung und rücksichtslose Überfischung fast ausgerottet wurde. Die Europäische Flußperlmuschel produziert zeitweilig auch phantastische Perlen. Viele europäische Adlige befanden sich über Jahrhunderte hinweg in einem regelrechten Perlenrausch. Die Perlen, nicht ihr vorzügliches Perlmutt, war der Fluch dieser besonderen Muschelart. Heute kümmert sich nur noch eine kleine (aber feine) Gruppe umweltbewußter Menschen um das Überleben dieser wenigen verbleibenden Flußperlmuscheln, welche vielerorts bereits längst ausgerottet sind. Kaum jemand ahnt heute, daß z.B. die Gewässer Bayerns noch vor wenigen Jahrhunderten bestes Perlmutt und feinste Perlen hervorbrachten.

Die historisch bedeutendsten Flussperlmuschelarten der Welt
* Flussperlmuschelart Margaritifera margaritifera (Linne, 1758). Beheimatet in Europa und Nordwest-Asien. Sie gilt inzwischen als fast ausgestorben (Ursache: historische Überfischung auf Grund hochwertiger Perlen und Perlmutt, später zusätzlich Umweltverschmutzung). Englische Bezeichnung: European pearl mussel.
* Biwa Perlmuschel Hyriopsis schlegelii (von Martens, 1861). Lebt(e) nicht in einem Fluss, sondern im Biwa-See in Japan. Sie gilt als ausgestorben (Ursache: Umweltverschmutzung). Wurde von einem Hybrid zwischen H. schlegelii und der chinesischen Perlmuschel H. cumingii inzwischen ersetzt. Englische Bezeichnung: Biwa pearl mussel
* Perlmuschel Megalonaias nervosa (Rafinesque, 1820). Beheimatet in Nordamerika im erweiterten Stromsystem des mächtigen Mississippi, von Kanada bis Mexiko. Historische Hauptquelle der Perlmuttknöpfe, später lange die Hauptquelle der Nuclei für die Zuchtperlenindustrie in Asien. Obwohl bereits vielerorts verschwunden, gilt diese Art im grossen Ganzen nicht als gefährdet. Englische Bezeichnung: Washboard pearl mussel
*
Buddha-Perlmuschel Cristaria plicata (Leach, 1815). Beheimatet in China und Japan. Berühmt wegen ihrer einstigen Nutzung zur Perlmuttbeschichtung kleiner Buddha-Figuren um 500 A.D.. War bis ca. 1980 die Hauptquelle chinesischer Süsswasserzuchtperlen und wurde dort danach zunehmend von der Perlmuschel Hyriopsis cumingii ersetzt. Englische Bezeichnung: Cockscomb pearl mussel
* Perlmuschel Hyriopsis cumingii (Lea, 1852). Beheimatet in China und Japan. Von dieser Perlmuschelart stammt der Grossteil aller Süsswasserzuchtperlen der letzten Jahrzehnte (hauptsächlich aus China). Englische Bezeichnung: Triangleshell pearl mussel

Anmerkungen: Der englische Begriff "mussels" kann bei englischsprachigen Recherchen manchmal etwas verwirrend wirken, da der Begriff sowohl Süsswasser-Perlmuscheln als auch die unverwandten Miesmuscheln vom Meer (Familie der Mytilidae) umfasst.

Interessante Informationen und offenbarende elektronenmikroskopische Aufnahmen der Mikrostruktur des Abalone-Perlmutts finden Sie online hier

Eine aufschlußreiches Projekt in Bezug auf die fast ausgestorbene Europäische Flußperlmuschel finden Sie hier

Der natürliche Aufbau des Perlmutts gilt als Vorbild für neue Werkstoffe. Einen Kurzbericht dazu liefert die Universität Bremen hier

Die Austernschalen

* Links, rechts, oben und unten
* Komposition der Schale
* Verwertungen der Austernschalen
* Perlmutt

Das verborgene Weichtier

* Anatomie im Überblick
* Mantel und Schalenbildung
* Schließmuskel und Ligament

Vermehrung und Wachstum

* Pazifische Auster (Crassostrea gigas)
* Europäische Auster (Ostrea edulis)

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