Tischkultivierung
John McCabe
Bei dieser Methode werden niedrige Eisengestelle (ca. 50
cm hoch und 3 m lang) im Gezeitenbereich abgestellt. Oft werden
diese "Tische" aus einfachem Moniereisen bzw. Betonstahl
gefertigt. Auf diesen Tischen werden mehrere "Netztaschen"
(Bild) deponiert.
Sie werden als "Poches" bezeichnet. Die Poches sind
mit Austern gefüllt.
Nähere Betrachtung der "Poches"
Poches bestehen aus einem gitterartigen Kunststoffgewebe
(Polyethylen). Polyethylen ist sehr robust und (u.a.) gegen Wind,
Wetter und Salzwasser sehr beständig. Gleichzeitig ist es
auch weich und flexibel genug, um in die Form flacher Netztaschen
oder auch flache "Netzkäfige" verarbeitet zu werden.
Sie werden folglich auch gerne bei der Floßkultivierung
eingesetzt. Das Material kann in der Mattenform oder auch tubenartig
in Rollen geliefert werden.
Unterschiedliche
Größen der Öffnungen im Gittermuster (Ca. 2 bis
hin zu 19 mm) sind im Fachhandel erhältlich. Somit kann
ein Austernbauer bei ganz jungen Austern ein dichtes Gittermuster
einsetzen. Sobald seine Austern eine bestimmte Größe
erreichen, kann er sie in Netztaschen mit einem offeneren Gewebemuster
übertragen. Poches können jeweils ca. 200 Austern enthalten
(die Menge ist abhängig von der Größe
der Austern).
In
der tubenartigen Form kann es vom Austernbauern mit einer Schere
die gewünschte Länge (in etwa die Breite des "Tischs")
abgeschnitten werden. Danach kann ein Ende versiegelt werden
(mit der Kreissäge längsweise eingeschnittene PVC-Röhre,
Hitzeverfahren, Klebstoff...) und es entsteht eine flache Netztasche
("Poche"), welche nun mit (Einzel-)Austern gefüllt
werden kann. Sobald die Poche gefüllt ist wird das andere
Ende versiegelt. Bei den flachen Poches sind PVC-Rohre (ca. 2
- 4 cm Durchmesser) sehr beliebt. Im Schraubstock wird ein passendes
Stück längsweise mit einer Kreissäge eingeschnitten.
In diesen Spalt werden die Enden der Tasche dann eingeführt.
Bei den käfigartigen Poches sind wiederum kräftige
Kabelbinder beim Verschluss beliebt. Natürlich können
Poches auch fix und fertig beim
Fachhandel bestellt werden. Zudem eignen
sich Poches nicht nur für die Kultivierung der Austern,
sondern auch bestimmte andere Muschelarten.
Abb.: "Poche-Müll". Irgendwann haben auch
robuste Poches ausgedient und müßen von den Austernbauern
ersetzt werden.
Vor- und Nachteile der Tischmethode
Die Tischmethode is bei weitem die beliebteste Kultivierungsmethode
der europäischen Austernbauern. Angeblich soll sie ursprünglich
sogar in Frankreich erfunden worden sein. Ebenso ist diese Methode
an der nordamerikanischen Westküste (von British Columbia
bis hinab nach Kalifornien) inzwischen weit verbreitet.
Mit dieser Methode lassen sich perfekt geformte "Schlürfaustern"
produzieren. Allgemein kauft ein Austernbauer bei einem spezialisierten
"Austernbabybauern" oder bei einem kommerziellen Zuchtlabor
eine große Menge Austernbabys ein. Jedes einzelne Austernbaby
ist an einem mehr oder minder großen Stückchen Substrat
(Schalenstück, Kalkschicht...) befestigt, wo es sich in
der Larvenform ursprünglich niedergelassen hat. Dieses verbleibende
Stückchen Substrat (auch als "Cultch" bezeichnet)
darf nicht zu groß sein bzw. keine alte Schalenscherbe
darstellen, zumal dies bei der Marktreife letztlich die schöne
Form der Austernschale stören würde. Folglich erwarten
Tischkultivierer von ihren Lieferanten schon von vorn herein
perfekte Austernbabys. In USA können Zuchtlabore z.B. sogenanntes
"Cultchless" bzw. Austernbabys "ohne Substrat"
liefern. Dies gelingt ihnen, indem sie den Austernlarven im Labor
lediglich winzige Schalensplitter als permanente Wohnsitzmöglichkeit
anbieten. Diese einzelnen Austernbabys kosten mehr als z.B. ein
halbes Dutzend Austernbabys auf einem Schalenbrocken. Mit derartigen
Austerbabys wären wiederum viele Boden-,
Pfosten- und
Leinenkultivierer
zufrieden, zumal es ihnen oft in erster Linie nicht um formschöne
"Schlürfaustern" geht, sondern um reine "Fleischaustern".
Ein Tischkultivierer achtet also gleich im Vorfeld gemeinhin
mehr auf die besondere Qualität der "Ware".
Die Stahltische und Poches lassen sich vorteilhaft auf halbfesten
und festen Böden
aufstellen und auch später bei Bedarf bewegen. Sie eignen
sich wunderbar in der Wechselflutzone (dem sogenannten "Eulitoral").
Dort bietet die Ebbe dem Austernbauern theoretisch zwei mal am
Tag die Möglichkeit, seine Netzsäcke auf den Tischen
zu Fuß zu erreichen und zu pflegen. Dank der Tische befinden
sich seine Austern über dem Meeresboden, wo sich viele natürliche
Feinde tummeln. Zudem sind seine Austern "hinter Gitter",
welches zusätzlichen Schutz bedingt. Diesen Luxus haben
die Austern eines Bodenkultivierers nicht. Bei der Flut können
seine Austern von Seesternen, Krabben, Schnecken, Ottern und
bestimmten Fischen regelmäßig überfallen werden.
Bei der Ebbe bedienen sich z.B. bestimmte Meeresvögel ebenso
gerne an seinen Austern. Der Tischkultivierer hat jedoch andere
Probleme. Im Netzgewebe seiner Austerntaschen setzen sich Algen
und sonstiger Wildwuchs fest. Ungepflegt verhungern seine Austern,
weil die Nährstoffe im Meerwasser nicht mehr vorteilhaft
die Austern umfluten. Also muß er seine Poches regelmäßig
reinigen und durchschnittlich alle zwei Wochen auch wenden. Zudem
muß er die Austern in seinen Poches periodisch durchrütteln
und gekonnt "schlagen", damit die Austern nicht krumm
und aneinander wachsen und ihre individuelle Formschönheit
wahren. Die vollen Poches sind auch schwer bzw. sie könnten
gleichwohl als "Säcke. gefüllt mit leckeren Steinen"
bezeichnet werden. Die Vorwüchse der Austernschalen
sind messerscharf. Auch gute Arbeitshandschuhe werden zunehmend
zerfetzt und Verletzungen sind keine Seltenheit. Sobald seine
jungen Austern eine gewisse Größe erreichen, wird
es zu eng in den Poches. Folglich muß er sie auf weitere
Poches verteilen. Nach frühestens 20 Monaten bis zu drei
Jahren sind seine Austern dann marktreif. Wir Austernliebhaber
schlürfen sie dann genüsslich in weniger als einer
Minute. Manche Austernliebhaber unter uns lassen sich vor dem
Genuss einen Moment nicht nehmen, wobei die formschöne,
saftige Auster erst mal bewundert wird und auch der tüchtiger
Austernbauer, welchem diese Auster zu verdanken ist, dankbar
erinnert wird.
Anzumerken ist noch, daß die Tischkultivierung im etwas
tieferen Bereich der Gezeitenzone ebenso praktiziert werden kann.
Hier geht es um den oberen (seichtesten) Bereich des sogenannten
"Sublitorals". In dieser "oberen sublitorale Randzone"
kann ein Austernbauer nicht fast täglich seine Poches pflegen.
Er muß auf die zeitweilig ausgeprägten Ebben warten,
um seine Austern zu Fuß zu erreichen und zu pflegen. Man
könnte auf den ersten Blick meinen, daß diese Austern
wohl am schnellsten groß und saftig werden, da sie ja überwiegend
den ganzen Tag lang Nährstoffe filtern können. Dem
ist jedoch nicht unbedingt so. Oft wuchern ungehemmt Algen und
sonstiger Wildwuchs im Gewebe der Poches, hemmen die Nahrungszufuhr.
Dies kann die Austern mehr oder minder aushungern. Hinzu kommt,
daß diese Austern nicht gewohnt sind, mit der Ebbe täglich
aus dem Wasser zu sein. Folglich sind ihre Schließmuskel
ungeübt. Beim späteren Transport im Handel ist
es für Austern sehr wichtig, daß ihre Schließmuskel
stark genug sind, um die Schalenhälften lange dicht zu halten.
Diese "Trockenübung" zur Stärkung der Schließmuskel
wird folglich öfters nachträglich von den Austernbauern
angeregt, indem die Austern in seichtem Gewässer immer länger
trocken gelegt werden, bis sie sich an den langen Verschluß
gewöhnt haben. Erst dann sind sie handelstauglich in entfernten
Märkten.
Die englische Bezeichnung der Tischmethode lautet "rack
and bag".
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