Meeresbiologische Labore Beim Besuch eines kommerziellen meeresbiologischen Zuchtlabors betritt man eine merkwürdige Welt. Oft handelt es sich um ein großflächiges Gebäude in der Nähe des Meeres. Das gesamte Gebäude ist mit kleinen, großen, runden, rechteckigen, seichten und tiefen Wasserbecken gefüllt. Überall hört man Wasser blubbern und tröpfeln. Hier und da summt eine große Wasserpumpe. Überraschend wenige Arbeitskräfte pflegen und überwachen die fast unüberschaubar anmutende Anzahl verschiedener Becken. Der Leiter des Betriebs ist oft ein Meeresbiologe. In seinem/ihrem Büro befinden sich neben Computern oft mehrere Mikroskope. Diese Person findet man jedoch nur selten "im Büro". Man muss den Chef oft eher im Wirrwarr der Becken und Rohrleitungen regelrecht aufspüren. Es gibt ständig reichlich zu tun. Eine Hälfte des Unternehmens erinnert an ein Treibhaus. Öfters besteht dort das Dach aus Glas oder einem transparentem Kunststoffmaterial. Über manchen der großen runden Wasserbehälter schweben Halogenlampen. Dieser Bereich ist tatsächlich ein Treibhaus. Hier werden verschiedene hochwertige Mikroalgen (Phytoplankton) produziert.
Die andere Hälfte des Gebäudes ist ein normal überdachter Arbeitsbereich. Dieser ist ebenso mit vielen Wasserbehältern gefüllt. Hier leben die Austern (und öfters auch andere Muschelarten). Ein kleiner Spaziergang durch ein Zuchtlabor Alle Wasserbehälter im Gebäude sind mit Rohrleitungen versehen. Viele verbinden die Behälter in beiden Bereichen des Gebäudes direkt oder indirekt über Ventile. Der "Treibhausbereich" des Gebäudes versorgt die Austern ständig mit besten Nährstoffen. Diese befinden sich in unterschiedlichen Entwicklungsphasen. In manchen Behältern schwimmen viele Mio. Austernlarven emsig umher. Auf den ersten Blick wirkt das Wasser in diesen Behältern wie eine klare braune Brühe. Schaut man jedoch genau hin, kann man die winzigen Larven erkennen.
"Phytoplankton" beschreibt eine große Anzahl
verschiedener Mikroalgen. Im Gegensatz zu ausgewachsenen Austern
eignen sich nur kleine "Phytoplankton-Häppchen"
für die Ernährung der Larven. "Phytoplankton"
bezeichnet einen regelrechten "Gemüsegarten" im
Meer. Es gibt viele verschiedene Arten. Beispielsweise gilt die
Mikroalge Isochrysis galbana als "lecker" unter den
Austern (und zahllosen anderen Muschelarten). Sie enthält
Omega-3 Fettsäuren, wichtige Aminosäuren, höhere
ungesättigte Fettsäuren, Antioxidanten, Proteine, Pigmente,
Kohlenhydrate und mehr. Wie komplex das Phytoplankton-Gemisch
im Meer sein kann, veranschaulichen diese Phytoplankton-Untersuchungen
an der Küstenstation Heiligendamm im Jahre 2001: Der Zuchtbetrieb entscheidet, was den Larven als Substrat zur Verfügung steht. Beim Substrat kann es sich um Schalenhälften handeln (sog. "Cultch"), wo sich gleich mehrere Austernbabys niederlassen können oder auch um winzige Schalensplitter handeln, wo nur genug Platz für ein Austernbaby vorhanden ist. Diese einzelnen Austernbabys werden als "Cultchless" bezeichnet. Beide Austernbaby-Sorten sind bei Austernbauern gefragt. Die Austernbabys auf Schalengut sind überwiegend für die Leinenkultivierung vorbestimmt. Die einzelnen "Cultchless-Austernbabys" auf winzigen Schalensplittern wiederum sind überwiegend für die Tischkultivierung in Netztaschen vorgesehen. Letztlich werden sie in der Obhut eines tüchtigen Austernbauers zu formschönen "Schlürfaustern" heranwachsen.
Meeresbiologen stehen in Laboren unterschiedliche Methoden
zur Verfügung, um für die erfolgreiche Befruchtung
der Austerneier zu sorgen. Die einfachste Methode wäre natürlich
mehreren Austern ungestört das Laichen einfach selbst zu
überlassen. Die Mischung der Spermien und Eier wäre
jedoch im Zuchtbecken absehbar unbalanciert bzw. es könnte
zu "Unterbefruchtung" oder "Überbefruchtung"
(Befruchtung eines Eies durch mehr als eine Spermie) der Eier
führen. Folglich lauern die Meeresbiologen auf den Moment
kurz vor dem Laichen und platzieren die Männchen und Weibchen
in gesonderte Becken. Die Spermien und Eier können dann
separat abgefangen werden und in einem optimalen Verhältnis
zueinander dann später miteinander vermischt werden. Diese Methoden eignen sich für die gezielte Vermehrung
der Austern aus der Gruppe der sogenannten "Crassostreinae"
(z.b. die Pazifische Auster, Amerikanische Auster...). Bei den
sogenannten "Ostreinae" (z.B. die Europäische
Auster, Olympia Auster.... Siehe auch Arten)
werden die Männchen und Weibchen jedoch oft nicht getrennt,
da die Weibchen dieser Gruppe "Brüter" sind bzw.
die Eier werden in der Schale befruchtet. In den Schalenhälften
entwickeln sich auch die Larven bis zu einem gewissen Punkt.
In manchen anderen Regionen der Welt jedoch, wo alle Austernarten sich nur unzuverlässig in der Natur selbst vermehren und es auch keine Lieferanten natürlicher Austernbabys gibt, sind die meisten Austernbauern bereits völlig von diesen Zuchtlaboren abhängig. Dies ist z.B. längst der Fall an der amerikanischen und kanadischen Westküste. Viele kommerzielle Zuchtbetriebe gehören dort großen Austernunternehmen. Bei diesen Betrieben ist also die eigene Firma gewissermaßen "der beste Kunde". Sie bedienen sich jedoch kaum nur selbst, sondern beliefern ebenso viele unabhängige große und kleine Austernbetriebe. Zuchtlabore bieten den Austernbauern eine große Produktauswahl.
Manche amerikanische Zuchtlabore liefern z.B. gleich mehrere
verschiedene Austernarten (Pazifische
Austern, Kumamoto-Austern,
Olympia-Austern, Europäische
Austern, Amerikanische
Austern). Ein größerer Austernbauer, welcher sich auf die Leinenkultivierung spezialisiert hat, kann sogar lediglich die Austernlarven bei einem Zuchtlabor bestellen und selbst für das Setzen der Larven auf Austernschalen sorgen. Das Zuchtlabor liefert die Larven in feuchten Säckchen aus Baumwollgaze. Ein Säckchen ist in etwa so groß wie ein Golfball und enthält ca. 3 Mio. Larven. Sachgerecht gekühlt kann dieser braune "Larvenbrei" mehrere Tage in diesen Säckchen überleben - lange genug, um auch an einen weit entfernten Austernbauern versandt zu werden. Andere Austernbauern bestellen wiederum lieber die Austernbabys.
Sobald die Austernbabys bzw. "Spat" eine Größe
von ca. 1.5 bis 2 cm erreichen, ist ihre Schale bereits kräftig
genug, um sie vor vielen natürlichen Feinden etwas zu schützen.
Die Bezeichnung "Spat" wandelt sich im Handel dann
auf "Seed" (Samen). Manchmal liefern diese Zuchtbetriebe auch Zubehör wie z.B. Netztaschen bzw. sogenannte "Poches" zum Preis von ca. fünf Dollar pro Stück. Kleines Austernbaby der Amerikanischen Auster aus dem Zuchtlabor. Das teuerste Muschelbaby im Angebot der Labore an der Westküste der Vereinigten Staaten ist jedoch keine Auster, sondern die mächtige Geoduck-Muschel (als "Guidack" ausgesprochen). Die abgebildeten Babys sind ca. 2 -3cm groß. Der Preis eines einzigen Babys liegt zwischen 50c und einem Dollar. Geoducks sind lediglich an der Nordwestküste Amerikas beheimatet. Sie werden bis zu 100 Jahre alt (das bisher älteste Exemplar wurde auf 146 Jahre geschätzt). Der "Hals" kann über einen Meter lang werden. Wie abgebildet sehen sie erst nach mehreren Jahrzehnten aus. Geoducks wachsen jedoch schnell und sind bereits nach 3 bis 5 Jahren handelsreif. Die Kultivierung macht sich bezahlt, zumal 500g Geoduck, frisch oder gefroren, schon vor Ort spielend 8 bis 10 Euro kostet. Geoducks sind eine Delikatesse erster Güte. An Käufern mangelt es nie.
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