Kultivierungsmethoden Die Methode der Austernkultivierung wird in erster Linie von den natürlichen Gegebenheiten eines Kultivierungsgebietes und der Austernart bestimmt. Manchmal können mehrere Kultivierungsmethoden erfolgreich eingesetzt werden und manchmal kann auch nur eine einzige Methode dem Austernbauern zu handelstauglichen Austern verhelfen. Obwohl alle kulinarischen Austern ähnliche Umweltgegebenheiten bei der Kultivierung schätzen, bestehen jedoch auch Unterschiede. Manche Austernarten sind flexibler bzw. anspruchsloser als andere. Beispielsweise gilt die berühmte Pazifische Auster als sehr anpassungsfähig, robust und wachstumsfreudig. Daher wird die Pazifische Auster auch am liebsten kultiviert. Sie gedeiht z.B. im Brakwasserbereich stiller Meeresbuchten, wo das Süßwasser der mündenden Flüsse sich mit dem einströmenden und auslaufenden Meerwasser der Gezeiten mischt und folglich den Salzgehalt ständig verändert. Sie gedeiht ebenso in Meerwasser mit verhältnismäßig hoher Salinität. Ein Austernbauer kann die Pazifische Auster oft auch im seichtesten Gezeitenbereich kultivieren, wo sie problemlos mehrere Stunden am Tag ohne Wasser auskommen wird. Andererseits lässt sich diese Austernart auch in tieferen Gewässern bis zu 40m finden. Sie gedeiht in kühlen Gewässern wie z.B. in der Normandie oder im deutschen Wattenmeer. Ebenso fühlt sie sich in den warmen Küstengewässern Südfrankreichs oder der Westküste Mexikos wohl. Auch extreme Temperaturunterschiede im Verlaufe eines Jahres kann sie oft wunderbar ertragen. Beispielsweise liegen die Temperaturen im berühmten Austernkultivierungsgebiet "Bassin de Thau" am Mittelmeer zwischen ca. 5° C im Winter und 28° C im Sommer. Diese Kurzbesprechung der Kultivierungsmethoden bezieht sich somit insbesondere auf die Pazifische Auster, die bei weitem bedeutendste kulinarische Auster der Welt. Alle erdenklichen Austernkultivierungsmethoden der Welt sind auch für die Pazifische Auster geeignet. Manche der erwähnten Methoden werden bei anderen Austernarten jedoch nur selten oder überhaupt nicht angewendet. Die Böden Weiche, schlammige Böden sind für alle Austern problematisch, da sie darin verschlicken bzw. versinken. Weiche Böden können sich jedoch auch zur erfolgreichen Austernkultivierung eignen. Ein Austernbauer muß lediglich eine Kultivierungsmethode einsetzen, welche seine Zöglinge vor dem Verschlicken schützt. Er wird vermutlich die Leinen-, Pfosten- oder Floßmethode wählen, womit die Austern vom tödlichen weichen Boden verschont bleiben und in sicherer Höhe über dem Boden heranwachsen. Ist das Wasser besonders reich mit Nährstoffen, dann wird der Austernbauer trotz der nachteiligen Bodenbeschaffenheit manchmal schon nach ca. 20 Monaten hervorragende Austern ernten. Feste Böden gelten als vorteilhaft für die Austernkultivierung. Austern mögen von Natur aus festere Böden, weil sie, im Gegensatz zu mehreren anderen Muschelarten, nur auf der Oberfläche des Bodens leben können. Festere Böden sind auch für die Austernbauern vorteilhaft. Bei der ständigen Pflege ihrer Zöglinge müssen sie nicht in Wind und Wetter zusätzlich auch noch durch schlammige Böden stiefeln. Bei einer festen Bodenbeschaffenheit wird ein Austernbauer absehbar die Bodenkultivierung und/oder die Tischkultivierung wählen. Die Floßkultivierung ist wiederum völlig unabhängig von der Beschaffenheit der vorhandenen Meeresböden, da die Austern in Netzen und Körben heranwachsen, welche von Flößen herabhängen. Strömung Die Zonen im Küstenbereich Die Küstenzone, welche unter direktem Einfluß der Gezeiten liegt, wird als das "Litoral" bezeichnet. Dieses Litoral kann wiederum in Zonen unterteilt werden. Die Zone, wo das Meerwasser bei der Flut lediglich den Rand zwischen Land und Meer mit Wasser unregelmässig berührt oder etwas bespritzt, wird als "Supralitoral" (oder auch "Spritzwasserzone") bezeichnet. Dieser Bereich ist einfach zu trocken für die Austernkultivierung. Etwas tiefer liegt das "Eulitoral" (oder auch als "Wechselflutzone" bezeichnet). Hier spielt sich eine sehr auffällige Ebbe- und Flutbewegung regelmäßig ab. Der obere Bereich dieser Zone ist allgemein weniger "feucht", da er lediglich für einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum geflutet wird. Der untere (tiefer gelegene) Bereich ist sehr feucht, da er länger mehr oder minder geflutet ist. Beide Bereiche dieses "Eulitorals" sind für die Austernbauern interessant. Im oberen Bereich kann ein Austernbauer z.B. Frischhaltebecken für seine marktreifen Austern ausgraben, welche er jeder Zeit bearbeiten kann. Der untere Bereich ist besonders interessant, zumal die Austern hier fast jeden Tag zwei Mal kurzfristig trocken liegen und er sie somit auch zu Fuß erreichen und bearbeiten kann. Unerwünschte "Austernliebhaber" wie z.B. Seesterne und Krabben kann er zwar problemlos entsorgen, wird sich jedoch oft auch mit der Beseitigung von Algenwuchs, Seepocken, Schwämmen und sonstigen unerwünschten Lebewesen beschäftigen müssen, welche sich in dieser Zone ebenso wohl fühlen. Dieser Kultivierungsbereich eignet sich sowohl für die Boden- wie auch die Tischmethode. Etwas weiter hinaus in dieser Gezeitenzone liegt das sogenannte "Sublitoral". Dieser Bereich ist allgemein auch bei der Ebbe mit Wasser bedeckt. Der obere (seichteste) Bereich dieses Sublitorals kann auch als "obere sublitorale Randzone" bezeichnet werden. Sobald die Sonne und der Mond in einer Linie mit der Erde (also beim Vollmond oder Neumond) stehen, kommt es zu einer sogenannten "Springtide" ("Springflut" und "Springebbe"). Das Meerwasser steigt dann besonders hoch bei der Flut und zieht sich ebenso wesentlich weiter zurück bei der Ebbe - weit genug, um auch diese allgemein geflutete Randzone vorübergehend trocken zu legen. Dieser Gezeitenbereich ist für die Austernbauern ebenfalls sehr interessant. Hier kann die Boden- und Tischmethode eingesetzt werden. Bei besonders weichen Böden in Buchten kann auch eine horizontale Leinenmethode mittels kleinen Pfählen eingesetzt werden. Austernbauern dieser Art sind besonders vertraut mit dem Gezeitenkalender. Unerwünschter Algenwuchs, Seesterne, Schnecken, Krabben, bestimmte Fische (z.B. bestimmte Brasse- und Rochenarten) und sonstige Plagegeister sind gemeinhin vorprogrammiert und können in den oft unbewachten Austernbeständen (da sie ja vorwiegend unter Wasser liegen) in kurzer Zeit erheblichen Schaden anrichten. Etwas weiter hinaus im Sublitoral wird das Wasser zunehmend
tiefer. Zu Fuß kann ein Austernbauer seine Austern nicht
mehr erreichen. Er ist auf ein Boot, eine kleine Mannschaft und
teure Gerätschaften angewiesen. Bei der Kultivierung wird
er sich allgemein an die reine Bodenkultivierung
halten. Die jungen Austern werden gewissermaßen "ausgesät"
und später zum geschätzten Zeitpunkt der erwarteten
Marktgröße mit einem Schürfnetz wieder gehoben.
Enorme Flächen können auf diese Art und Weise bearbeitet
werden. Es ist die simplistischte Methode, wobei es eher um Quantität
statt Qualität geht. Die Austernzöglinge sind allen
natürlichen Feinden schonungslos ausgesetzt. In manchen
Anbauregionen der Welt ziehen diese Austernbauern zeitweilig
gewebte Matten über den Meeresboden, worin sich die Seesterne
verheddern. Die Matten werden dann an Bord gezogen und die Seesterne
anschließend an Land entsorgt. "Schlürfaustern"
und "Fleischaustern" Jede kulinarische Austernart kann als eine reine "Fleischauster" gelten. Nicht jede kulinarische Auster kann jedoch als eine "Schlürfauster" gelten. "Schlürfaustern" schmecken auch nicht besser als "Fleischaustern". Die Größe und Form einer Auster entscheidet, ob sie als eine "Schlürfauster" oder als eine reine "Fleischauster" eingeordnet werden kann. Eine Schlürfauster ist gemeinhin teurer als eine reine Fleischauster, öfters auch dann, wenn die "Fleischauster" mitunter wesentlich mehr Fleisch aufweist als die "Schlürfauster". Der Grund dafür liegt bei der Kultivierung. Austern wie z.B. die berühmte Pazifische Auster oder die Amerikanische Auster (bzw. alle Austernarten aus der Gruppe der "Crassostreinae") gehen bei ihrem Schalenbau ungestüm vor. In der freien Wildbahn sind die Schalenformen so unterschiedlich wie die Anzahl der vorhandenen Austern - keine Auster gleicht der Nächsten. Manche jedoch sind mehr oder minder länglich und oval mit einem typischen "Töpfchen-mit-Deckelchen-Look". Genau diesen Look wünschen sich die Liebhaber der rohen Austern. Ein fähiger Austernbauer kann diesem gewünschten Look bei seinen Zöglingen mit bestimmten Kultivierungsmethoden nachhelfen. Die (bei weitem) erfolgreichste und beliebteste Methode dafür ist die Tischkultivierung. Gleichzeitig ist es auch die aufwendigste und teuerste Methode. Viele "Poches" bzw. Austerntaschen liegen auf niedrigen "Tischen" bzw. niedrigen Eisengestellen im Gezeitenbereich des Meeres. Ein Austernbauer reinigt, dreht und wendet diese Säcke regelmäßig. Zeitweilig "schlägt" er die Säcke, damit die Austern nicht zusammenwachsen. Sobald seine Austern im Sack eine bestimmte Größe erreichen, verteilt er sie auf zwei Säcke, damit sie mehr Platz zum formschönen Heranwachsen haben. Ein französischer Austernbauer beim Transport seiner Poches. Manche Austernbauern achten auch bei der Platzierung der "Tische" und Poches auf die Strömungsrichtung, weil auch die ständige Strömung der Gezeiten die Schalenform beinflussen kann. Nach zwei bis drei Jahren und zahllosen Stunden mühsamer Handarbeit kann dieser Austernbauer mit einem hohen Prozentsatz perfekter "Schlürfaustern" rechnen. Ähnliche Resultate können auch mit einer Variante der Leinenkultivierung gelingen. Hier werden junge Austern in einem bestimmten Abstand voneinander einzeln an ein Seil geklebt (bzw. zementiert) und ins Wasser gehängt, wo sie dann von der Form her mehr oder minder gleichmäßig heranwachsen. Die Bodenkultivierung kann natürlich zeitweilig ebenso "Schlürfaustern" hervorbringen. Viele große Unternehmungen in USA z.B., welche auf die Bodenkultivierungsmethode setzen, nutzen große Schürfnetze. Schürfnetze können zwar Unmengen der Austern auf einmal heben, sind jedoch sehr grob. Viele Austernschalen werden dabei beschädigt und die Austern sind hinterher untauglich für das Schlürfen. Zudem wird beim Schürfen der Meeresboden aufgewirbelt, welches beim Fang zu Versandung der Austern führen kann. Sand und Unreinheiten in der Auster sind natürlich ebenso unerwünscht bei "Schlürfaustern". Letztlich geht es dann an das Sortieren der verschiedenen Größen und das Aussortieren jener Austern, welche zum Handel als Schlürfaustern tauglich sind. Beim weitaus überwiegenden Großteil der geernteten Austern handelt es sich um reine "Fleischaustern", welche dann allgemein geöffnet, gewaschen und nach weiteren unterschiedlichen Verarbeitungs- und Verpackungsmethoden ihren Weg als "Austernfleisch" in den Handel finden. Ebenso landen viele dieser "Fleischaustern" mehr oder minder frisch in ihrer Schale in zahllosen US-Supermärkten. Abb.: Links das Fleisch einer wohlernährten kleinen Auster, welches sich von der Größe her gerade noch zum Schlürfen eignet. Das Fleisch einer großen Auster (rechts) entspricht in etwa der Größe eines Steaks. Beide Pazifischen Austern stammen aus dem selben Fanggebiet und weisen auch mit ihren erheblichen Größenunterschieden den selben Geschmack auf. Ebenso ist die große Auster genauso zart wie die kleine Auster. "Alt und zäh" gibt es also bei Austern nicht. Trotzdem ist eine große Auster gemeinhin für die Kochkunst (statt den rohen Verzehr) vorbestimmt. Siehe auch Größen. Abb.: In diesem Austernklumpen in der Gezeitenzone befinden sich vier saftige Austern. Wilde Austern in Klumpen dieser Art lassen sich jedoch nur mit unrentablem Aufwand als "Fleischaustern" verarbeiten und bleiben handelsmäßig folglich oft unbeachtet. Nur mit der Hilfe meines robusten "Boston Stabber" (siehe Austernmesser) gelang es mir, diese Austern kurz nach dieser Aufnahme "zu überführen".
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