Die Pioniere Aber wer waren die vermeintlichen "Pioniere", die viele Jahrhunderte nach den alten Griechen und Römern die Austernkultivierung der westlichen Welt wieder aufleben ließen? Überraschenderweise war König Ferdinand IV von Neapel (1751-1825), dritter Sohn Karls III., des Königs von Spanien und der Prinzessin Maria Amalie von Sachsen, der erste ernsthafte Austernbauer der "Neuzeit". Ihn verband eine an romantische Faszination grenzende Verbundenheit mit dem in seinen Ursprüngen vulkanischen Fusaro See unweit von Neapel. Dieser See ist mit dem Mittelmeer verbunden und zufällig in der Nähe der einstmals feinsten Austernzuchtgebiete der römischen Antike (Baiae) gelegen. Rings um diesen See schuf er ein Paradies wie es nur ein wohlhabender König kreieren kann. Schier endlose Kiefernwälder wurden angelegt, imposante Gebäude an den Ufern des Sees errichtet und mitten im See ließ er seine Villa erbauen. Sein See war jedoch nicht unproblematisch für die Austernzucht. Unreine Zuflüsse zum See kompromittierten die notwendige Reinheit des Wassers. Zudem war der Seeboden viel zu schlammig, um Austern vorteilhaft kultivieren zu können. Als Folge ließ der König zuführende und abführende Kanäle erbauen. Überdies ließ er unzählige Steinbrocken in seinem See versenken, um "steinerne Riffe" für die Austern zu schaffen. Auf diesen Riffen wurden nun Austernbabys aus anderen Gegenden ausgesetzt, die wunderbar heranwuchsen. Seine "Fusaro Austern" wurden zum kulinarischen Hit. König Ferdinand war so begeistert, dass er es sich nicht nehmen ließ, seine köstlichen Austern höchstpersönlich zu verkaufen. Anzumerken ist außerdem, dass König Ferdinand regelmäßig Besuch von mächtigen Aristokraten Europas hatte, welche seine Zuchterfolge zweifellos in aller Welt verkündet haben dürften. Mit hoher Wahrscheinlichkeit dürfte auch der französische
Austernliebhaber Kaiser Napoleon III. (Charles-Louis-Napoléon
Bonaparte; 1808-1873) von den Zuchterfolgen des "Austernkönigs
Ferdinand" informiert gewesen sein, als er den französischen
Wissenschaftler Victor Coste in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts
beauftragte, das Erfolgsrezept für die Kultivierung der
Austern Frankreichs zu finden. Coste begab sich auf eine Studienreise
entland den Küsten Frankreichs und Italiens. 1855 berichtete
er in seinem Werk Voyage dexploration sur le littoral
de la France et de lItalie von seinen Entdeckungen.
Während Coste sich noch über Austern eingehend informierte,
war bereits 1853 ein findiger französischer Fischereibeauftragter
mit der Praxis beschäftig. Ein Monsieur de Bon, zuständig
für das Gebiet um St. Servan (in der nähe von St. Malo)
experimentierte bereits erfolgreich mit Holzpfosten und Planken
zum Fang der freischwimmenden Austernlarven für Kultivierungszwecke.
Nicht schlecht soll Coste gestaunt haben, als er im Jahre 1857
bei einer Reise entlang der französischen Küste auf
die bemerkenswerte Kultivierungsleistung des Herrn de Bon stiess.
Coste war hochbegeistert und verfasste 1858 einen Bericht für
den Kaiser Napoleon III. Gleichzeitig forderte er ca. 8.000 Francs
vom Kaiser für die Restaurierung des längst erschöften
Austernfanggebietes in der Bucht von St. Brieuc (westlich von
St. Malo in der Bretagne; siehe auch Nordbretagne).
Umgehend erhielt er das Geld vom Kaiser und berichtete bereits
1859 von "triumphalen Erfolgen". Er fühlte sich
verpflichtet dem Kaiser eindringlich zu empfehlen, die gesamte
französische Küste derartig mit Austern zu kultivieren
(was letztlich dann auch geschah). Schon einige Jahre vor Coste
gab es offenbar im US-Bundesstaat Connecticut einen Austernbauern
namens Charles Hoyt, welcher nach viel Recherche ein ähnliches
Rezept für die Austernkultivierung praktizierte (siehe "Die nördlichen
Staaten der US-Ostküste"). Inhalte auf Austern.com sind urheberrechtlich geschützt. Berichtigungsvorschläge werden dankend entgegengenommen. All contents © Austern / McCabe.us, John W. McCabe Site Archive Kontakt (Impressum) |