Die nördliche Bretagne
John McCabe

Das Küstengebiet der nördlichen Bretagne erstreckt sich vom Kloster Mont Saint Michel bis hin zur Stadt Brest. Die wichtigsten Austerngebiete der nördlichen Bretagne sind Cancale, St-Brieuc, Carantec, Paimpol, Tréguier, die Bucht von Morlaix, Les Abers ("die kleinen Fjorde") und die Gewässer um Brest.

Unweit des berühmten Klosters Mont-Saint-Michel liegt das Küstenstädtchen Cancale. Schon der Sonnenkönig (Ludwig XIV.) bestellte hier bevorzugt seine Austern, die dann mit schnellen Pferden zum königlichen Versailles transportiert wurden. Es ist ein offenes Geheimnis, dass viele der feinsten Restaurants in Paris ausschließlich Austern aus Cancale auf ihre Teller lassen. Dieses romantische Städtchen wirkt auf der Landkarte eher bescheiden, es ist jedoch die heimliche Austernhauptstadt der gesamten Bretagne. In der Innenstadt bietet ein Restaurant nach dem anderen seine Austerngerichte an (neben vorzüglichem Lammfleisch - einer weiteren Spezialität dieser Gegend). Begibt man sich zur Bucht von Cancale, dann kann man bei den zahlreichen Ständen aus einer Unmenge frischester Austern schöpfen, und das sehr günstig. Nach Wunsch öffnet der Austernhändler für ein kleines Trinkgeld die eingekauften Austern auch gleich direkt am Stand. Anschließend setzt man sich auf eine niedrige Mauer und schlürft unter dem freien Himmel, dessen Blau von Künstlerhand zu stammen scheint, diese hervorragenden Austern. Ist das Leben nicht herrlich einfach in Cancale? Es ist daher nicht verwunderlich, dass Cancale einer der Spitzenreiter unter den Austernliebern aus aller Welt ist.


Postkarte um 1900; "Le Lavage des Huîtres". Postkarte kann durch Anklicken vergrößert werden.

Im Angebot stehen vorwiegend die Pazifischen Austern (die sog. "Creuses"). Alle Größen sind zu haben - sogar die riesigen "Sauvages" (die "Wilden"). Dabei handelt es sich um besonders große Pazifische Austern, die sechs oder mehr Jahre in der Bucht auf dem Buckel haben. Sie sind keine große Besonderheit - eben lediglich groß, jedoch auch sehr schmackhaft. Diese "Wilden" sind zwar nicht zum Schlürfen gedacht, jedoch perfekt für Kochkreationen.

Das Kultivierungsgebiet von Cancale (insbesondere der Pazifischen Auster) ist riesig. Die Gezeitenzone hebt und senkt sich etwa um 14 m. Dies gilt weltweit als Phänomen. Mit dem ständigen Wechsel dieser mächtigen Ebbe und Flut wird den Austern ein fast unablässiger Strom von Plankton zugeführt.

Die Austernbauern von Cancale haben sich auch auf den Anbau der Europäischen Auster spezialisiert (die sog. "Plates"). Im Gegensatz zur Pazifischen Auster, die im Wattbereich beheimatet ist, wird die Europäische Auster in tieferen Gewässern angebaut (in 3 - 15 m Tiefe.). Derartige Tiefenkultivierung setzt komplexe (und teuere) Geräte voraus. Jedoch wiegt die weitgehende Unabhängigkeit von den Gezeiten diesen Nachteil wieder auf. In der Bretagne stehen große Flächen geeigneter Meeresböden für diese Art des Austernanbaus zur Verfügung - nicht nur um Cancale, sondern auch um St. Brieuc, Morlaix und Brest.

Die Europäische Auster wurde in den 1970er Jahren durch Austernviren weitgehend dahingerafft. Einige Jahre später begann die Züchtung von Europäischen Austernbabys in meeresbiologischen Laboren. Sobald die Austernbabys im Labor eine ausreichend kräftige Schale gebildet haben, werden sie an die Austernbauern ausgeliefert und im Meer ausgesät. Die Europäische Auster ("Ostrea edulis") wächst im Vergleich zur Pazifischen Auster ("Crassostrea gigas") nur langsam heran. Während Pazifische Austern spätestens nach 3 bis 4 Jahren marktreif sind, benötigt die Europäische Auster ein oder zwei Jahre mehr - und hat trotzdem weniger Fleisch auf den "Rippen". Sobald sie herangewachsen sind, werden sie von den Austernbauern auf vielfältige Art und Weise gehoben (z.B. mit Schürfnetzen). Ab und zu findet man dann auch eine besonders große Europäische Auster, die sich zehn Jahre oder länger vor dem Fang drücken konnte oder in bestimmten Meeresbereichen zusätzliche Jahre "gelagert" wurde. Im Gegensatz zu den Riesen unter den Pazifischen Austern (den "Sauvages"), gelten sie als Besonderheit. Sie werden als "Pied de Cheval" ("Pferdefuß") bezeichnet und sind hoch begehrt (und entsprechend teuer).

Europa

* Frankreich
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** Die Nordbretagne
** Die Südbretagne
** Das westliche Mittelgebiet
** Marennes-Oléron
** Arcachon
** Mittelmeer-Raum
*** Kleines Lexikon französischer Austernbegriffe

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