Austernkultur der US-amerikanischen Ostküste
John McCabe

An der amerikanischen Ostküste (inkl. dem Golf von Mexiko) ist die Amerikanische Auster (Crassostrea virginica) beheimatet. Würde man ein Buch mit dem Titel "Die Historie der amerikanischen Austernkultur" in zehn Kapiteln verfassen, dann dürfte alleine die reichhaltige Geschichte der amerikanischen Ostküste neun interessante Kapitel füllen, während man der Westküste mit einem Kapitel gerecht werden würde.

Das historisch berühmteste Austernfanggebiet Amerikas ist unumstritten die mächtige Chesapeake Bay, das in den Bundesstaaten Maryland und Virginia seine Nachbarn findet. Die bekannteste und zugleich älteste (1837) Austernmarke der Vereinigten Staaten dürfte die "Cotuit Oyster Company" sein. Dieses altehrwürdige Austernfischerei-Unternehmen existiert noch heute und bewirtschaftet große Austerngebiete in "Cape Cod" (Bundesstaat Massachusetts).
Das geschichtlich prominenteste Austernstädtchen Amerikas ist noch heute Oyster Bay, das auf der Insel Long Island im Bundesstaat New York gelegen ist. Die namentlich Bedeutendste unter den zahlreichen Austern der Vereinigten Staaten ist noch heute die sog. "Bluepoint" Auster. Dabei handelt es sich um eine regionale Bezeichnung der Amerikanischen Auster. Die "Bluepoint" verdankt diesen Namen ihrem historischen Ursprungsgebiet "Blue Point" (Great South Bay) auf Long Island, New York. Heute wird der Name eher als eine generische Bezeichnung für vorzügliche Austern aus mehreren Buchten (nicht nur Great South Bay) der nördlichen Ostküste verstanden. Austern wurden 1763 erstmals öffentlich in einem kleinen "Saloon" im Kellergeschoß eines Gebäudes an Broad Street in New York serviert. Das älteste und renommierteste Austern-Restaurant der USA, das "Union Oyster House" in Bosten, befindet sich ebenfalls an der Ostküste, nämlich im Bundesstaat Massachusetts.

Wäre der Titel unseres imaginären Buches hingegen "Die erfolgreiche Kultivierung der Austern Amerikas", dann müssten sich neun Kapitel mit der amerikanischen Westküste beschäftigen. Für die Ostküste dürfte ein Kapitel ausreichen. Historisch betrachtet gab es so gut wie keine Austernkultivierung an der Ostküste und im angrenzenden Golf. Die natürlichen Vorkommen wurden vielmehr über Jahrhunderte hinweg ungezügelt ausgebeutet. Zwar wird heute die Austernkultivierung in bestimmten Gewässern der Ostküste erfolgreich betrieben, die weitaus überwiegende Zahl der einstmals reichen Austerngebiete ist jedoch einfach ausgerottet. Eines weiß man heute mit großer Sicherheit: Mit oder ohne Austernkultivierung, in ihrer ursprünglichen Form wird es diese Austerngebiete in absehbarer Zeit auch nicht wieder geben.

Nichtsdestotrotz bringen die Oststaaten (vorwiegend die Südöstlichen) noch heute erstaunlich große Mengen äußerst schmackhafter Austern hervor. Diese Staaten (inkl. der US-Golfstaaten) produzieren jährlich insgesamt etwa 14 Mio. kg Fleisch der Amerikanischen Auster ("Crassostrea virginica"). Im Vergleich dazu bringt die US-Westküste jährlich ca. 4 Mio. kg Fleisch der Pazifischen Auster ("Crassostrea gigas") hervor.

Man muss auch die nördlichen Staaten der amerikanischen Ostküste von den Südlichen unterscheiden. Die Abwesenheit (bzw. die bestmögliche Reinigung) des menschlichen Abwassers bleibt nach wie vor die wichtigste Zutat beim Erfolgsrezept der Austernkultivierung. Aber damit haben besonders die nördlichen Staaten der US-Ostküste sehr schwer zu kämpfen. Trotz des ernsthaften Bestrebens der nördlichen Austernkultivierung ist die Problematik viel komplizierter, da diese Gebiete seit jeher mächtige Ballungszentren von Industrie und Bevölkerung besitzen. Daher bildet die Umweltverschmutzung leider immer ein äußerst mächtiges Gegengewicht zu allen ökologischen Bemühungen.

Die Staaten der südlichen Ostküste und des Golfs von Mexiko waren im Gegensatz zu den nördlichen Staaten seit jeher mehr auf Landwirtschaft ausgerichtet. Dies führte zu nahezu unberührten Küstengewässern und trug zum Fortbestehen der Austernkolonien bei. Daher gibt es noch heute reiche Austernriffe in den Küstengewässern mancher Südstaaten.

Die Methoden des Austernfangs divergieren zwischen der Ost- und Westküste teilweise erheblich. An der Ostküste wird wie bereits seit Jahrhunderten vorwiegend mit Schürfnetzen und sog. "Oyster Tongs" gearbeitet. Obwohl auch in einzelnen Gebieten der Westküste mit Schürfnetzen gearbeitet wird, eignet sich die Bodenbeschaffenheit vieler Austerngewässer dafür nicht. Daher greift man an der Westküste eher auf komplexere Zuchtmethoden zurück, die viel Handarbeit benötigen.

Bei einem "Schürfnetz" handelt es sich um einen ca. 2m breiten Stahlrahmen, der mit einem Gittersack ausgestattet ist. Diese Gerätschaft wird von einem Segel- oder Motorboot schlittenartig über den Meeresboden geschleppt und kann über tausend Austern auf einmal heben.


Abb.: Um 1920. Schürfnetz wird an Bord gezogen. Fangpotential: 18 Körbe Austern auf einmal.

Dieser Schürfnetz-Fang ist historisch gesehen verantwortlich für die Zerstörung zahlloser Austernriffe der US-Ostküste. Heute wird diese Fangmethode vorwiegend in privaten oder gepachteten Gewässern größerer Austernbetriebe eingesetzt. Es handelt sich dabei jedoch nicht mehr wie früher um die rücksichtslose Plünderung natürlicher Austernriffe. Statt dessen kaufen die Austernfischer entweder Unmengen an Austernbabys bei Zuchtbetrieben oder sorgen mitunter auch für ihre eigenen Austernbabys durch sogernanntes "Shelling". Bei "Shelling" werden große Mengen Austernschalen in geeigneten Küstengewässern ausgeschüttet, damit die freischwimmenden Austernlarven dort seßhaft werden und zu Austernbabys heranwachsen um später wieder "aufgeschürft" zu werden. Danach "sähen" die Austernfischer die Austernbabys auf ihre eigenen Meeresböden aus. Dort wachsen die Austern etwa 2 - 4 Jahre bis zur Marktreife heran, werden anschließend geschürft und letztlich verarbeitet. Solche Austernfischer werden historisch als "Dredger" bezeichnet.
Die "Oyster Tongs" sind zwei lange zangenartig angeordnete Stangen, an deren Enden sich korbartige Rechen befinden. Ein Austernfischer greift damit einer Zange oder Schere gleich hinab auf den Meeresboden, wo er die Austern vermutet und hebt eine verhältnismäßig kleine Menge. Dieses Gerät gibt es auch mit motorisch-pneumatischem Antrieb (sog. "Patent-Tongs"). Austernfischer dieser Art werden als "Tonger" bezeichnet. Im Gegensatz zu den "Dredgern", sortieren die "Tonger" ihren verhältnismäßig kleinen Fang gleich an Bord, pflücken die marktreifen Austern heraus und kippen den Rest (Schalen, Krabben, oder Austernbabys) gleich wieder über Bord. Folglich ist diese Art Austernfang wesentlich vorteilhafter für die Erhaltung der natürlichen Meeresökologie als der Fang mit Schürfnetzen.


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**** Fallstudie: Chesapeake Bay
**** Ein chinesischer Immigrant namens Ariakensis

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