Das Mittelalter
John McCabe

Obwohl das Frühmittelalter (um 400-900 n. Chr.) und das Hochmittelalter (um 900 bis ca. 1270 n. Chr.) äußert wechselhafte und im Bezug auf die Zivilisation einschlägige Epochen darstellen, sind die Überlieferungen im Bezug auf Austern leider verhältnismäßig dürftig. Es darf angenommen werden, dass sich die kulinarische Vorliebe für Austern auch nach dem Untergang des römischen Imperiums unter der Oberschicht des damaligen Westeuropa in besagten Zeitabschnitten mehr oder weniger fortsetzte. Eine Ausnahme könnten Teile der mächtigen Wikinger dargestellt haben. Die Wikinger versetzten zwischen dem 8. und 11. Jahrhundert viele Städte und Klöster in den Küstengebieten Europas mit ihren Drachenschiffen in Angst und Schrecken. Obwohl sie ebenfalls Austern genossen haben dürften, ist einer alten Sage zu entnehmen, dass der Genuss der Auster nicht unbedingt ihren Vorstellungen von Tapferkeit und Stärke entsprochen haben könnte. Einer Sage zufolge soll der mythologische Krieger Starkad (welcher angeblich mit seinen acht Armen gleich vier große Schwerter auf einmal zu schwingen vermochte) dem dänischen König Ingjald vorgeworfen haben, dass dieser "gebratene und gekochte Speisen zu sich nimmt und obendrein u.a. auch Austern isst, welches ungebührend der Art der Wikinger ist."

Was den Genuss der Austern betrifft, so sind die Überlieferungen aus dem Spätmittelalter (um 1270 bis zum Beginn der Reformation 1517) ebenso spärlich. Der englische König Henry IV (1399-1413) soll angeblich - wohlgemerkt lediglich als Vorspeise - 400 Austern verspeist haben. Der beste Ansatz die Beliebtheit zu messen, dürfte sich vielleicht am ehesten in der genaueren Betrachtung jener Städte und Gegenden finden lassen, welche schon zu Zeiten der alten Römer hinsichtlich der Austern von vorrangiger Bedeutung in Europa waren.

Die französische Hafenstadt Cancale im Norden der Bretagne sticht hier besonders hervor. Schon die Römer versorgten sich dort bereits mit den vorzüglichen Austern. Zu Zeiten des Mittelalters waren die Cancalaiser der Genusssucht der Mächtigen bereits längst ausgeliefert. Ihr tägliches Brot war längst vom Austernhandel abgängig. Bei den französischen Königen sollte es kaum anders sein als bei den Römern. Regelmäßig verließen mit Austern beladene Schiffe den Hafen von Cancale in Richtung Rouen. Von dort gelangten die Austern letztlich nach Paris. Etienne Boileauau, ein Zeitgenosse des französischen Königs Ludwig IX (Ludwig der Heilige; 1214-1270) aus dem 13. Jahrhundert, beschreibt in seinem "Livre des Métiers" die Wucherpreise, welche die Hafenstadt Rouen den Schiffen als Abgabe abverlangte. Letztlich, zeigte sich König Franz I (1494-1547) für die stets zuverlässige Lieferung der köstlichen Austern der Cancalaiser erkenntlich und verlieh Cancale 1545 offiziell das Stadtrecht (welches von weiteren Austernfans wie Ludwig XIII und Ludwig XIV danach bestätigt wurde). Durch seine traumhafte Landschaft und historische Relevanz ist Cancale heute ein beliebtes Reiseziel. Überdies ist diese Stadt gewissermaßen ein "Pilgerort für wahre Austernfans", da sich dort auch in der touristischen Hauptsaison noch geschmacklich herausragende Austern finden lassen, die zudem preiswert sind.

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